Seite - 50 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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„Personen mit bestimmter Aussicht auf Beschäftigung in Palästina“ im Alter von
18 bis 35 Jahren bewerben konnten, waren an die Absolvierung der Hachscharah,
der sprachlichen und beruflichen Ausbildung zumeist in der Landwirtschaft und im
Handwerk gebunden und unterlagen einem besonders strikten Quotensystem. Die
Anzahl der Bewilligungen wurden in halbjährlichen Verhandlungen zwischen der
„Zionistischen Exekutive“114 (später der Jewish Agency) und der britischen Regie-
rung und nach Konsultation der wichtigsten Arbeitgeber des Landes jeweils im
April und Oktober festgelegt.115 Nach der Genehmigung des Kontingents (Schedule)
verteilte die Jewish Agency die Arbeiterzertifikate – abhängig von der jeweiligen
Lage in den Ländern116
– an die einzelnen Palästina-Ämter, wobei der Aufteilungs-
schlüssel für die Chaluz- und Handwerkerzertifikate vorgeschrieben wurde. Die
Auswahl „geeigneter Kandidaten“ erfolgte nach den auf Kongressbeschlüssen basie-
renden Grundsätzen durch die Palästina-Amts-Kommissionen (siehe unten). Als
vierte Hauptgruppe existierte die Kategorie der „Angeforderten“ (D), die sich in
angeforderte Verwandte (finanziell abhängige Angehörige von dauernd Aufent-
haltsberechtigten, D/1)117 und angeforderte Arbeiter (Personen, die von palästinen-
sischen Arbeitgebern dringend benötigt wurden, D/2) gliederten.
Die Gesuche um die Zertifikate waren jeweils bei verschiedenen Stellen einzu-
reichen: Kategorie A bei der Britischen Passstelle, Kategorie B beim Immigration-
Department der Palästina-Regierung, Kategorie C beim Palästina-Amt und Kate-
gorie D bei der jeweils zuständigen Einwanderungsbehörde in Jaffa, Haifa oder
Jerusalem und der Einwanderungsabteilung der Jewish Agency. Vom Tag der Aus-
stellung an hatten die Genehmigungen eine Gültigkeitsdauer von drei Monaten, die
Laufzeit der Arbeiterzertifikate wurde bei der Ausgabe bekannt gegeben.
Nach Ansicht der Briten war mit den Bestimmungen des Einwanderungsge-
setzes ein faires System entwickelt worden, das den Mandatsauftrag des Völker-
114 Die „Zionistische Exekutive“ ging 1921 aus der „Zionistischen Kommission“ hervor und kann als
eine Art Kabinett beschrieben werden, das mit der Mandatsverwaltung kooperierte und inoffiziell
als jüdische Regierung fungierte. Aus ihr ging 1929 die Jewish Agency hervor, die ihre Organe
(Rat, Administrativ-Komitee und Exekutive) zu gleichen Teilen mit Zionisten und Nichtzionisten
beschickte. Präsident der Jewish Agency war stets der aktuelle Präsident der „Zionistischen Orga-
nisation“. Die „Zionistische Exekutive“ fungierte danach als Durchführungsorgan der Kongress-
beschlüsse. Vgl. Segev, Palästina, S. 213.
115 Die Einschätzung über die Lage von Industrie, Wirtschaft und Arbeit fiel von Seiten der Zionisten
im Gegensatz zur Einwanderungsbehörde, die auch die arabische Arbeitslosigkeit mitberücksich-
tigte, freilich immer optimistischer aus. Da die Einwanderung ihres Erachtens die Wirtschaft an-
kurbeln und Arbeitsplätze schaffen würde, verlangten die Zionisten stets eine Erhöhung der Quote,
auch wenn es keine Beschäftigungsgarantie gab.
116 Aufgrund des großen jüdischen Bevölkerungsanteils und der schwierigen wirtschaftlichen Lage
wurden 1933 über 35 Prozent der Zertifikate Polen zugewiesen. Knapp 27 Prozent sind an Deutsch-
land gegangen, nach der nationalsozialistischen Machtübernahme ist der Anteil kontinuierlich
gewachsen. Vgl. Peel-Bericht, S. 327.
117 „Abhängig“ war nach Definition der Immigration Ordinance eine Person, „die für ihren Unterhalt
völlig und unmittelbar von einem Einwanderer oder dauernd Aufenthaltsberechtigten abhängig
ist, oder dies im Falle ihrer Einwanderung in Palästina sein wird.“ Folgende familiäre Beziehungen
waren dabei möglich: a) Ehefrau, b) Eltern oder Großeltern, c) unverheiratete, verwitwete oder
geschiedene weibliche Angehörige oder d) minderjährige oder arbeitsunfähige männliche Ange-
hörige. Vgl. Ebda., S. 323.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918