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Emigranten“123 (Wien IX., Türkenstraße 9) einen Anknüpfungspunkt, ging jedoch
primär auf praktische Überlegungen zurück: Ausschlaggebend für die Wahl des
Standortes war die geographisch günstige Lage Wiens, die der Stadt durch die Nähe
zum Triester Hafen zukam, über welchen der Personen- und Güterverkehr zwi-
schen Europa und Palästina lange Zeit fast zur Gänze abgewickelt wurde. Als unmit-
telbaren Anlass nennt die Broschüre schließlich die Notlage zahlreicher jüdischer
Soldaten, die nach dem Krieg nach Wien zurückgekehrt waren. Auch für die Viel-
zahl jüdischer Flüchtlinge aus den östlichen Gebieten der ehemaligen Monarchie
fungierte das Palästina-Amt als Anlaufstelle. Wenngleich sich das Büro auch um
die Versorgung von Flüchtlingen, Kranken und Bedürftigen kümmerte – die Für-
sorge war anfangs der einzige Bereich, bei dem eine Verbindung zur Israelitischen
Kultusgemeinde bestand
– und zum Teil auch für die dadurch entstandenen Kosten
aufkam, lag das Hauptaugenmerk gewiss auf der Organisation der Binnenwande-
rung, der Emigration nach Übersee und vor allem nach Palästina.124 Eine andere
Einrichtung, die als Folge der gestiegenen Auswanderungstendenzen in den Nach-
kriegsjahren in Wien gegründet wurde, war die „Österreichische Auskunftsstelle
für Auswanderer“, die dem „Wanderungsamt“, einer Abteilung des Bundeskanzler-
amtes, unterstellt war. Nachdem die Kompetenz in Wanderungsangelegenheiten
1920 zur Bundessache erklärt worden war, war das Bundeskanzleramt als einzige
Instanz für sämtliche mit der Ein- und Auswanderung zusammenhängende Fragen
zuständig.125
Formell-juristisch der österreichischen Landesstelle des „Jüdischen National-
fonds“ („Keren Kajemeth Lejisrael“, KKL) unterstellt126, teilte sich das Palästina-
Amt auch die Räumlichkeiten mit dem KKL, zunächst in der Zirkusgasse 33 im
2. Bezirk, ab Herbst 1920 am Bauernmarkt 24 im 1. Bezirk.127 Zwar wurde die zio-
nistische Leitung mit dem Sitz in London anerkannt, das Selbstverständnis der
Einrichtung war allerdings ein „allzionistisches“, weshalb die Gründung des Amtes
mit der Bildung einer aus Vertretern aller Gruppierungen bestehenden „Palästina-
Amts-Kommission“ einherging, die als Kontrollinstanz wirken und einer möglichen
123 Über die Vorläuferorganisation des Palästina-Amtes sind äußerst wenige Informationen erhalten.
Aus den unregelmäßig in der Zeitschrift „Palästina“ publizierten „Mitteilungen des Palästina-Infor-
mationsbüros in Wien“ geht lediglich hervor, dass das Büro Palästina-Wanderinnen und -Wanderer
bei der Vorbereitung und Durchführung ihrer Reise unterstützte und beriet. Mindestens einmal
jährlich wurde außerdem eine Gesellschaftsreise nach Palästina organisiert. Ein Inserat dazu z. B.
in: Palästina, Jg. 9 (1912) Nr. 2, S. 55 f.
124 In wenigen Fällen kümmerte sich das Palästina-Amt auch um Reisende aus Palästina nach Euro-
pa, indem etwa Darlehen für die Finanzierung der Weiterreise gewährt oder eine Unterkunft zur
Verfügung gestellt wurde.
125 ÖSta, AdR/BKA/WA 2236/338 u. 339.
126 Der Vermerk in den Statuten des von den Behörden anerkannten Vereines KKL über das Recht,
ein besonderes Büro (Palästina-Amt) zu erhalten, war von großer Bedeutung, da er die einzige
dem Vereinsgesetz entsprechende Grundlage für das Büro bildete und dadurch die Namensfüh-
rung „Palästina-Amt“ erst möglich geworden war. Die Bezeichnung „Amt“ konnte im Grunde nur
staatlichen oder kommunalen Stellen zukommen.
127 An Wochentagen war das Palästina-Amt von 8.30 bis 13.00 Uhr und von 15.00 bis 16.00 Uhr, an
Sonntagen und christlichen Feiertagen von 9.00 bis 13.00 Uhr geöffnet. An Samstagen und jüdi-
schen Feiertagen blieb es geschlossen.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918