Seite - 58 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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waren insgesamt 8.956 Personen (4.634 Männer und 4.203 Frauen) vorgemerkt;
berufliche Angaben wurden nicht durchgängig gemacht, vermitteln aber zumin-
dest einen Einblick in die Zusammensetzung der Bewerberinnen und Bewerber:
Die in der Landwirtschaft Tätigen setzten sich aus 140 Familien und 158 Ledigen
zusammen, die Handwerker aus 60 und 80, jene in den freien Berufen aus 430 und
503, Kaufleute und Industrielle aus 921 Familien und 209 Ledigen. Hinzu kamen
256 Schülerinnen und Schüler.141 Nach einem temporären Rückgang, der auf die
Beruhigung der politischen Lage in Österreich und der Nachbarländer und auf die
Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit zahlreicher Jüdinnen und Juden zurückzu-
führen war, war die Anzahl der Interessentinnen und Interessenten bis Ende 1920
auf rund 15.000 angewachsen. Die Auswertung der für die Anmeldung ausgegebe-
nen Fragebögen ergab, dass sich 90 Prozent der erfassten Personen als vermögenslos
bekannten und die Hälfte in Palästina einen Beruf in der Landwirtschaft anstrebte.
Mehrheitlich handelte es sich um Jugendliche, die sich noch nicht ins Wirtschaftsle-
ben zu reintegrieren vermochten. Nichtjüdinnen und -juden, die sich angesichts der
kriegsbedingten Notlage ebenfalls um eine Auswanderung bewarben, „bisweilen
gar mit dem Anbot der Hebräisierung, ja des Übertrittes zur jüdischen Religion“,
wurden „natürlich“ abgelehnt.142
Eine der wichtigsten Aufgaben der Vorbereitung war die entsprechende Beratung
der künftigen Emigrantinnen und Emigranten, für die das Palästina-Amt und die
von ihm herausgegebenen Publikationen häufig den einzigen Zugang zu Informa-
tionen über die Aus- und Einwanderung darstellten. Zu Beginn der 1920er Jahre
war es jedoch selbst für das Büro, das zumindest in gewissem Kontakt mit der
zionistischen Leitung sowohl in Europa als auch in Palästina und mit anderen zio-
nistischen Organisationen stand, ein schwieriges Unterfangen, zu gesicherten Daten
und Berichten über die politische und ökonomische Lage des Landes zu gelangen.
Informationen über wirtschaftliche Möglichkeiten, potenzielle Handelsbeziehungen
und die Errichtung von Industrien wurden direkt vom Handels- und Industriede-
partment in Jerusalem eingeholt oder stammten aus entsprechenden Mitteilungen
der palästinensischen Presse (z. B. aus dem Bulletin „Palnews“). Ein reger Informa-
tions- und Gedankenaustausch bestand mit den übrigen europäischen Palästina-
Ämtern und jüdischen Emigrationsbüros (vor allem jenen in Warschau, Prag und
Triest). Die publizistische Tätigkeit des Amtes blieb in den ersten Jahren über-
schaubar und begrenzte sich auf einige wenige Broschüren (z. B. „Goldhammers
Palästinabibliographie“, ein von Leo Goldhammer zusammengestellter Überblick
über die wichtigsten Werke über Palästina oder die bereits zitierten Ausführungen
Emil Steins, der in „Auf dem Wege nach Palästina“ die zionistischen Aufgaben
skizziert) und Zeitschriften, etwa die zuerst von David Trietsch und danach von
Adolf Böhm editierte Publikation „Palästina“143, in welcher für die zionistische Idee
141 Stein, Palästina, S. 19 f.
142 Palästina-Informationsbuch, S. 11.
143 „Palästina“ erschien zwischen 1902 und 1938 im Abstand von zwei Monaten. Zwischenzeitlich kam
die Zeitschrift unter den Namen „Altneuland“ und „Volk und Land“ heraus und wurde von wech-
selnden Verlagen verlegt. Vollständig bibliothekarisch erfasst ist sie auf http://www.compactme-
mory.de abrufbar.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918