Seite - 64 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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Vertretern des Einwanderungsamtes der Jewish Agency, die die Gebühren für die
Ausbootung und den Gepäckstransport einhoben, erwartet. Die zu entrichtende
Gebühr von 1,45 Pfund beinhaltete die Kopfsteuer und die Kosten für das Gepäck
sowie die verpflichtende ärztliche Untersuchung. Erst nach dem Erhalt einer Bestä-
tigung des Gesundheitsdepartments und der Überprüfung durch die Zollbeam-
ten
– das Umzugsgut155 musste zwar innerhalb von sieben Tagen deklariert werden,
prinzipiell bestand für das persönliche Eigentum des Neueinwanderers und seiner
Familie aber Zollfreiheit
– durfte das Hafengebiet verlassen werden. Immigrantin-
nen und Immigranten der Arbeiterkategorie konnten sieben Tage unentgeltlich im
Einwandererheim übernachten.156
Die Entwicklung des Palästina-Amtes bis zum „Anschluss“
Am 6.
Mai 1921, nur einen Monat nach der Übernahme der Leitung durch Martin
Rosenblüth157, stoppte Hochkommissar Herbert Samuel als Reaktion auf die oben
erwähnten Zusammenstöße zwischen jüdischer und arabischer Bevölkerung die
gesamte jüdische Einwanderung, wodurch das Palästina-Amt plötzlich mehrere
hunderte durchreisende Emigrantinnen und Emigranten zusätzlich zu versorgen
hatte, die aufgrund von Streikaktionen der italienischen Bahnen nicht mehr nach
Triest reisen konnten. Trotz der Unterstützung durch staatliche und städtische
Behörden sowie der Wiener jüdischen Bevölkerung erforderte die Situation auch
einen internationalen Spendenaufruf, dem zahlreiche zionistische Organisationen
nachkamen.
Folgenreich für die Entwicklung des Palästina-Amtes war die 1922 erfolgte
Erschließung des Reiseweges über Rumänien, wodurch die polnischen Emigran-
tinnen und Emigranten, die an der Dritten und Vierten Alijah den größten Anteil
stellten, nicht mehr über Wien und Triest, sondern über Rumänien nach Palästina
gelangen konnten. Der damit verbundene Bedeutungsverlust des Wiener Büros
löste unter den verschiedenen zionistischen Organen weitreichende Diskussionen
über den Nutzen der bisher wichtigsten Anlaufstelle für die Palästina-Wanderer
aus. Stimmen wurden laut, die die Zweigstelle aus Kostengründen geschlossen
sehen wollten
– so publizierte das „Jüdische Korrespondenz Bureau“ in London in
seiner Ausgabe vom 16. November 1922, dass nach Informationen seines Wiener
Korrespondenten während eines ganzen Monats wiederholt nur ca. ein Dutzend
Chaluzim ihren Weg über Wien genommen hätten und die ganze Alijah aus Polen,
Galizien, Ungarn etc. nun über Rumänien gehen würde. Die Aufrechterhaltung des
Wiener Palästina-Amtes, das die „Zionistische Organisation“ monatlich zu sub-
155 Folgende Gegenstände fielen darunter: Haushaltsartikel, Dinge für den persönlichen Gebrauch,
Möbel, Silberwaren, Handwerkszeug, landwirtschaftliche Geräte und Fahrzeuge, Geflügel und
Futter. Ebda., S. 103.
156 Ebda., S. 109.
157 Zur Amtsperiode Martin Rosenblüths siehe Ebda., S. 22–26.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918