Seite - 72 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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menstellung ist der insgesamt hohe Anteil an männlichen Mitgliedern, der mit 465
Chaluzim der weit geringeren Zahl von 147 Chaluzot gegenüberstand. Europaweit
absolvierten zur selben Zeit rund 35.000 jüdische Jugendliche und junge Erwach-
sene ihre Hachscharah, wobei die Mitgliederzahlen in Polen, Litauen, Galizien und
Rumänien am höchsten waren.181
Die Beschaffenheit der Hachscharah-Plätze sowie die Inhalte und Erfolge des
Ausbildungsprogramms unterlagen der Kontrolle des Palästina-Amtes und des
Einwanderungsdepartments der Jewish Agency. Sachverständige nahmen vor der
Zulassung der Stätten eine genaue Inspektion vor und überprüften in der Folge
regelmäßig den Zustand der Wohngelegenheiten und des Arbeitsmaterials. Da die
finanziellen Mittel der Chaluz-Verbände äußerst begrenzt waren und im Wesent-
lichen aus den Einnahmen der Landwirtschaft und aus Mitgliedsbeiträgen der
Chaluzim stammten (teilweise kamen Erträge aus anderen (Lohn-)Arbeiten der
Teilnehmenden hinzu), waren sie auf regelmäßige Subventionen seitens des Paläs-
tina-Amtes und in geringerem Ausmaß auch der Israelitischen Kultusgemeinde
Wien angewiesen, die ohnehin zur grundsätzlich geringen Entlohnung der land-
wirtschaftlichen Arbeiter beisteuern mussten. Die finanzielle Unterstützung ver-
pflichtete die Vereine halbjährlich zur Vorlage eines Tätigkeitsberichts und einer
Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben. Wie der an die Jewish Agency über-
mittelte Budgetvoranschlag des „Hechaluz Haklal Zioni“ für das zweite Halbjahr
1937 zeigt, mussten die größten Summen für den Stadtkibbuz, die Errichtung von
Werkstätten, die Organisationstätigkeit, den Auswanderungsfonds („Keren Alijah“)
und die Kulturarbeit („Tarbut“) aufgewendet werden. Weitere Kosten entstanden
durch die Instandhaltung und den Ausbau des Zentralheims und der Bezirks- und
Ortsstellen.182
Nach erfolgreicher Absolvierung der Hachscharah und Erhalt einer Einreisege-
nehmigung
– was, wie nachfolgend beschrieben, keinesfalls als gesichert galt
– ver-
pflichteten sich die Chaluzim schriftlich dazu, gleich nach der Ankunft in Palästina
für die Dauer von mindestens einem Jahr landwirtschaftliche (oder andere) Arbeit
in den Kolonien zu verrichten. Bei Nichterfüllung dieser Verpflichtung waren die
Jewish Agency und andere öffentliche Institutionen dazu berechtigt, der betref-
fenden Person das Recht auf Hilfsleistungen hinsichtlich Darlehen, Ansiedelung,
Arbeit, Anforderung von Verwandten etc. zu entziehen.183
Obgleich der österreichische „Hechaluz“ verglichen mit den chaluzischen Verbän-
den in Osteuropa zumindest bis 1938 einen überschaubaren Zulauf verzeichnete,
veranlasste die geringe Anzahl an von der Jewish Agency zugewiesenen Zertifikaten
das Wiener Palästina-Amt nichtsdestotrotz zu anhaltendem Protest. Die Summe
der für Österreich ausgestellten Einwanderungserlaubnisse war aufgrund der regel-
mäßig aufkeimenden Unruhen in Palästina und der infolge der nationalsozialisti-
schen Machtergreifung bevorzugten Behandlung der deutschen Auswanderinnen
181 Palästina-Informationsbuch, S. 57.
182 CZA, S6/2222.
183 CZA, S6/2541.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918