Seite - 89 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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Sprache, verstanden als Synonym der nationalen Renaissance des Judentums, bald
Eingang in alle Lebensbereiche. Auf die Wichtigkeit, sich das Hebräische als Neu-
einwanderer so rasch wie möglich anzueignen, wird im Palästina-Informationsbuch
nachdrücklich hingewiesen:
„Die Kenntnis des Hebräischen ist für jeden Juden, der in Erez Israel leben
will, unerlässlich, weil es die Umgangssprache des jüdischen Jischuw ist. Die
Zeitungen erscheinen in Hebräisch, die Aufschriften in den Städten und am
Lande sind hebräisch. Wer nicht hebräisch kann, ist und bleibt in Erez ein
Fremder, der sich nicht verwurzeln und einleben kann und dessen wirt-
schaftliches Fortkommen in der schwersten Weise gehemmt ist.“234
Wie in den Jahren zuvor verlief die Einwanderung auch innerhalb der größeren
Wellen sehr ungleichmäßig. Die rund 67.000 Immigrantinnen und Immigranten,
die mit der Vierten Alijah ins Land kamen, setzten sich wie folgt zusammen: 1924
und 1926 immigrierten je 13.000 Jüdinnen und Juden, 1925 33.000, 1927 bloße
2.300 und 1928 nur mehr 800.235 Die erstaunlich hohe Anzahl im Jahr 1925 war die
Folge zweier Entwicklungen, die als so genannte „push-Faktoren“ wirkten: Einer-
seits verschärften die Vereinigten Staaten (seit dem späten 19.
Jahrhundert das wich-
tigste Zielland europäischer Emigrantinnen und Emigranten jeder Nationalität und
Konfession) ihre Einwanderungsgesetze. Durch die Einführung von festen Quoten,
die von der Summe bereits in den USA lebender Neubürgerinnen und Neubürger
des jeweiligen Herkunftslandes abhingen, reduzierte sich die Anzahl der in die USA
immigrierenden Jüdinnen und Juden von 49.989 im Jahr 1924 auf rund 10.292 im
Folgejahr.236 Auf der anderen Seite zwang die restriktive Wirtschafts- und Finanz-
politik in Polen viele Jüdinnen und Juden dazu, ihre Heimat in Richtung Palästina
zu verlassen. Trotz der daraus resultierenden starken Zuwanderung verzeichnete
der Yishuv in diesen Jahren einen Nettorückgang, der durch Tausende Jüdinnen
und Juden, die nicht Fuß fassen konnten und das Land deswegen wieder verließen,
zustande gekommen war. Entgegen den Hoffnungen Weizmanns, der 1919 eine
jährliche Einwanderung von 70.000 bis 80.000 Personen vorausgesagt hatte, lag es
den Zionisten zu diesem Zeitpunkt fern, eine Masseneinwanderung zu propagieren,
da auch sie um die engen Grenzen der frühen Immigration wussten.
Anhand der vorliegenden Quellen lässt sich auch der Anteil österreichischer Jüdin-
nen und Juden an der Alijah der 1920er Jahre zumindest annähernd quantifizieren.
Freilich kann die Wiedergabe von Zahlen nur unter Vorbehalt erfolgen – neben
der allgemein unsicheren Messbarkeit von Migrationsbewegungen kommt im Falle
der Palästina-Wanderung hinzu, dass die statistischen Angaben der verschiede-
nen Stellen nicht miteinander übereinstimmen und lückenhaft sind. Es erscheint
daher sinnvoll, die verfügbaren Daten aus den Jahren 1920 bis 1928 zu vergleichen.
234 Palästina-Informationsbuch, S. 69.
235 Krämer, Geschichte Palästinas, S. 229.
236 Wasserstein, The British in Palestine, S. 160.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918