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„Natürlich betonen viele Neueinwanderer trotzig: ‚Dies ist das Land unserer
Väter‘ (als hätten sie ein fast zweitausendjähriges Erinnerungsvermögen),
‚hier gehören wir hin!‘ Damit geben sie ein ihnen gepredigtes Geschichts-
bewusstsein als echtes Gefühl aus. Je unselbständiger sie schon früher in
ihren Ansichten gewesen waren, je beeinflussbarer sie weiterhin durch jede
‚öffentliche Meinung‘ sind, desto schneller halten sie sich für zugehörig.“250
Obgleich die Rolle der Rettungsbewegung bei der Alijah der 1930er Jahre unbestrit-
ten einen anderen Stellenwert als bei den früheren Alijoth einnahm, darf gleichzei-
tig nicht übersehen werden, dass im selben Zeitraum auch der Zionismus zu einem
immer wichtigeren Motiv der Palästina-Wanderung geworden war. Kennzeichnend
für die Zwischenkriegszeit ist ein Aufblühen (nicht nur) des jüdischen Vereinswe-
sens, das sich in der Reaktivierung von früheren und in der Gründung von zahlrei-
chen neuen Zusammenschlüssen niederschlug. Speziell die zionistischen Jugend-
vereine erfreuten sich vor allem aufgrund ihrer Sozialisierungsfunktion großen
Zulaufs. Die Hachscharah, die umfassende Vorbereitung auf die Auswanderung
und Niederlassung in Palästina, worauf der Großteil der Vereinigungen abzielte,
blieb zwar überwiegend theoretischer Natur; durch die Aktivitäten wurden aber
Netzwerke und Grundlagen geschaffen, auf die die Mitglieder, als sich die Alijah
konkretisierte, vielfach zurückgreifen und davon profitieren konnten.
Schließlich ist auch das Phänomen der illegalen Einwanderung als Novum der
Fünften Alijah zu nennen. Einen merklichen Anstieg verzeichnete die so genannte
„Alijah Beth“251 zwar erst ab Mitte 1938, als mit der nationalsozialistischen Bedro-
hung einerseits und den begrenzten Fluchtmöglichkeiten andererseits Alternati-
ven gefunden werden mussten und verschiedene zionistische Verbände häufig von
Wien aus illegale Schiffstransporte zu organisieren begannen. Sowohl jüdische als
auch muslimische Palästina-Wanderinnen und -Wanderer waren jedoch bereits in
den Jahren zuvor auf „unrechtmäßige“ Art und Weise ins Land gekommen, in den
meisten Fällen mithilfe eines Touristenvisums, dessen erlaubte Dauer überschritten
wurde. Die britische Regierung suchte deshalb schon zu Beginn der 1930er Jahre
nach effektiven Strategien und Maßnahmen, um diesen Entwicklungen entgegen-
zuwirken (siehe unten).
Zahlen
Zur bedeutendsten Immigrationsperiode vor dem Zweiten Weltkrieg wurde die
Fünfte Alijah in erster Linie aufgrund ihres zeitlichen und quantitativen Umfangs.
Zwischen 1929 und 1939
– teilweise wird der Beginn mit einem späteren Jahr ange-
geben, hier wird von einem Zeitraum von zehn Jahren ausgegangen – strömten
mehr als 200.000 Jüdinnen und Juden nach Palästina, wobei die Migrationsbe-
250 Walter Zadek, Emigration und Wesenswandlung. In: Zadek, Selbstzeugnisse, S. 183.
251 Nach dem zweiten Buchstaben des hebräischen Alphabets „Bet“.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918