Seite - 102 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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die großteils billiger als in Europa waren, wurden mit ca. 3 Pfund pro Person und
Monat veranschlagt. „Bei bescheidenen Ansprüchen“ könnte eine vierköpfige Fami-
lie mit einer Summe von 25 bis 30 Pfund pro Monat auskommen, eine Einschrän-
kung in der Lebensführung wäre nach der Jewish Agency bzw. dem Palästina-Amt
aber nichtsdestotrotz unbedingt notwendig. Ebenfalls erforderlich wäre es, dass
auch Frauen und Mädchen so rasch wie möglich einen Beruf ergreifen und bei
ihrer Ausbildung darauf achten würden, dass der erlernte Hauptberuf durch Zusatz-
qualifikationen ergänzt werden könnte. Laut einem Artikel in der „WIZO-Revue“,
einer Zeitschrift der „Women’s International Zionist Organisation“, waren im Jahr
1938 50 Prozent der jüdischen Frauen in Palästina erwerbstätig, davon arbeiteten
53 Prozent in der Landwirtschaft und im Haushalt. Mit 62,5 Prozent war der Anteil
alleinstehender Frauen an der arbeitenden weiblichen Bevölkerung beträchtlich.268
Die Tatsache, dass sich der Yishuv kontinuierlich vergrößerte und sich spätestens
in den 1930er Jahren auf allen relevanten Gebieten entfaltete, wirkte sich auf die
Neueinwanderinnen und -einwanderer nicht nur positiv aus – so etwa in beruf-
licher Hinsicht: Durch den Anstieg der jüdischen Bevölkerung waren einerseits
neue Wirtschafts- und Industriezweige entstanden, die eine Vielzahl an Beschäfti-
gungsmöglichkeiten mit sich brachten; andererseits war in gewissen Berufssparten
bereits ein Überfluss an Arbeitskräften vorhanden, der Neuanstellungen verhin-
derte und sich nachteilig auf die Löhne auswirkte. Nichtsdestotrotz hatte der vor
allem durch die Fünfte Alijah gewachsene Yishuv auch eindeutig günstige Folgen
für die Nachkommenden. Obgleich sich Palästina noch immer im Aufbau befand,
waren grundlegende Strukturen und administrative Instrumente bereits geschaffen
worden. Zu den Errungenschaften können auch die damals schon seit mehreren
Jahren existierenden, schrittweise ausgebauten Institutionen gezählt werden, die
sich um die Belange der Neueinwanderinnen und -einwanderer kümmerten. Groß-
teils auf Betreiben der offiziellen jüdischen Vertretung gegründet (beispielsweise das
1933 innerhalb der Jewish Agency eingerichtete „Central Bureau for the Settlement
of German Jews in Palestine“269), gingen bestimmte Organisationen auch auf lands-
mannschaftliche Initiativen zurück. Noch bevor die österreichische Alijah einen
größeren Umfang angenommen hatte, war – nach unterschiedlichen Quellen im
Jahr 1922 oder 1924
– eine Hilfsorganisation der österreichischen Einwanderinnen
und Einwanderer entstanden, die beispielgebend für andere Vereinigungen dieser
Art werden sollte. In erster Linie zielte die „Hitachduth Olej Austria“ (HOA) auf die
Unterstützung der Neueinwanderinnen und -einwanderer und die Erleichterung
ihrer beruflichen, gesellschaftlichen und kulturellen Eingliederung ab, ferner sollte
sie als Interessenvertretung der österreichischen Einwanderinnen und -einwanderer
gegenüber den Behörden dienen. Ihr erster Präsident, der Ingenieur Maximilian
268 Frieda Weinreich, Die arbeitende Frau in Palästina. In: Wizo-Revue, Heft 1 (Februar 1938). CAHJP,
A/W 2603,2.
269 Die „Deutsche Abteilung“ des Immigrationsdepartments der Jewish Agency unterhielt Büros in
London und Jerusalem und wurde von Georg Landauer, Werner Senator und Arthur Ruppin gelei-
tet. Zur Organisation der Auswanderung deutscher Jüdinnen und Juden nach Palästina gegründet,
beeinflusste und unterstützte die Abteilung nach dem „Anschluss“ auch die österreichische Alijah
und half den Emigrantinnen und Emigranten bei der Niederlassung.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918