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die Kriterien für die ökonomische Aufnahmefähigkeit neu zu überprüfen, um die
arabische Bevölkerung nicht vom Arbeitsmarkt zu verdrängen, sowie die jüdische
Einwanderung zu suspendieren, um den Lebensstandard der arabischen Bauern
auf dem damals aktuellen Niveau zu halten. Massive Proteste der Zionistinnen und
Zionisten waren die Folge. Während es in Palästina selbst zu gewaltigen Demonst-
rationen kam, schlug sich die Empörung der jüdischen Gemeinschaft europaweit in
zahlreichen Zeitungsartikeln nieder, wobei mit Nachdruck auf den Verstoß gegen
die Bestimmungen der Balfour-Deklaration und des Mandatsvertrags hingewiesen
wurde:
„England aber hat das Mandat über Palästina nur unter der Bedingung er-
halten, dass es das jüdische Nationalheim aufbauen hilft. Will und kann es
dies aus den oder jenen Gründen nicht, dann hätte es das Mandat zurückzu-
legen und nicht, wie es jetzt geschieht, unter Missachtung der international
verbrieften Rechte des jüdischen Volkes, sich ein koloniales Herrschaftsge-
biet zu erschleichen.“273
Offensichtlich beeindruckt vom Widerhall, den das Weißbuch fand, bemühte sich
die Regierung in der Folge, den Eindruck, den sie durch die Empfehlungen ver-
mittelt hatte, abzuschwächen. Noch im Oktober 1930 rechtfertigte sie sich, dass sie
„weder hinsichtlich der Bodenpolitik noch der Einwanderung“ beabsichtigte, „das
Jüdische Nationalheim im gegenwärtigen Stadium seiner Entwicklung erstarren
zu lassen“274. Um die Unparteilichkeit der Verwaltung unter Beweis zu stellen und
etwaige Differenzpunkte zu beseitigen, lud man Vertreter der Jewish Agency zu
Gesprächen ein. Schließlich distanzierte sich Premier MacDonald 1931 in einem
Schreiben an Chaim Weizmann von allen wesentlichen Punkten des Weißbuchs,
was für die arabische Seite, die das Schriftstück als „Schwarzen Brief“ betitelte,
völlig unannehmbar war.275 Durch das intensive Lobbying der Zionisten in London
wurde im Endeffekt die Rücknahme des Weißbuches erwirkt (laut Weizmann wurde
„auch dieser Angriff erfolgreich abgeschlagen“276) und damit ein vorläufiges Ende
politisch bedingter Beschränkungen für die jüdische Einwanderung erreicht.
Der Arabische Aufstand und der „Peel-Plan“
Der Arabische Aufstand 1936 bis 1939 markierte den (vorläufigen) Höhepunkt des
gewaltreichen Konflikts zwischen jüdischer und arabischer Bevölkerung, der nach
1929 nicht mehr zur Ruhe gekommen war. Als Auslöser nennt Gudrun Krämer
unterschiedliche Krisenmomente, die sich ab 1935 verdichtet hatten:277 Die ara-
273 Anonym, Die jüdische Einwanderung nach Palästina. In: Menorah, Jg. 8 (1930) Nr. 5, S. 302.
274 Zit. in: Anonym, Das Weißbuch der Regierung. In: Palästina, Jg. 13 (1930) Nr. 12, S. 444.
275 Krämer, Geschichte Palästinas, S. 276.
276 Segev, Palästina, S. 369.
277 Krämer, Geschichte Palästinas, S. 308; Michael J. Cohen, Britain’s Moment in Palestine. Retrospect
and Perspective 1917–1948, London 2014, S. 245–288; Abraham J. Edelheit, The Yishuv in the
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918