Seite - 116 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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den „Revisionisten“, die einen umfassenden wirtschaftlichen Boykott deutscher
Waren propagierten, entschieden abgelehnt. Die Kritik ging zuweilen so weit, den
Zionismus allein aufgrund der Bereitschaft einiger Repräsentanten, mit den Natio-
nalsozialisten zu verhandeln, zum Kollaborateur des Feindes zu erklären.308 Erst auf
dem 19. Zionistenkongress 1935 in Luzern entschied die „Zionistische Weltorga-
nisation“, dem Ausfuhr- und Verrechnungsabkommen zuzustimmen, um dadurch
die Auswanderung deutscher Jüdinnen und Juden mitsamt Teilen ihres Vermögens
zu ermöglichen. Die zionistischen Aufbau- und Entwicklungspläne sahen darüber
hinaus eine kontinuierliche wirtschaftliche Ausdehnung in Palästina vor, wofür
Investitionen und Kapital notwendig waren, die die Emigrantinnen und Emigranten
und zukünftigen Siedlerinnen und Siedler tätigen bzw. mitbringen sollten.
Offiziellen Verhandlungen zwischen der Jewish Agency, der „Zionistischen
Vereinigung für Deutschland“ und den zuständigen deutschen Behörden – dem
Reichswirtschaftsministerium, der Reichsbank und dem Auswärtigen Amt – ging
ein einzelnes Vorläuferprojekt voraus, das der palästinensischen Zitrus-Pflanzenge-
sellschaft „Hanotea Ltd.“ bereits im Mai 1933 einen Transfer von 1 Million Reichs-
mark gestattete. Auswanderinnen und Auswanderer sollten die auf ein Sperrkonto
eingezahlten Summen in Form von Häusern oder Zitronenanlagen in Palästina zur
Verfügung gestellt bekommen, während die „Hanotea“ mit den Reichsmarkbeträ-
gen für die Bewirtschaftung benötigte Waren erwarb.309 Nachdem der finanzielle
Rahmen der Übereinkunft auf drei Millionen Reichsmark vergrößert worden war,
erging am 28. August 1933 ein Rundschreiben des Reichswirtschaftsministeriums
an alle deutschen Devisenstellen, in welchem die Grundzüge des Haavara-Abkom-
mens dargelegt werden:
„Um die Abwanderung deutscher Juden nach Palästina weiterhin durch
Zuteilung der erforderlichen Beträge ohne übermäßige Inanspruchnahme
der Devisenbestände der Reichsbank zu fördern und gleichzeitig die deut-
sche Ausfuhr nach Palästina zu steigern, ist mit den beteiligten jüdischen
Stellen ein Abkommen auf folgender Grundlage abgeschlossen worden:
Auswanderern, denen die Auswandererberatungsstelle bestätigt, dass über
den als Einreisegeld erforderlichen Mindestbetrag von LP 1.000,– hinaus
weitere Beträge zur Gründung einer Existenz in Palästina erforderlich und
angemessen sind, kann im Rahmen dieses Gutachtens für den RM 15.000,–
übersteigenden Betrag die Genehmigung zur Einzahlung auf ein bei der
Reichshauptbank errichtetes Sonderkonto […] zugunsten einer in Palästina
zu errichtenden jüdischen Treuhandgesellschaft […] erteilt werden. […] Aus
dem Konto werden deutsche Warenlieferungen nach Palästina bezahlt. Den
Auswanderern wird der Gegenwert ihrer Einzahlungen nach Maßgabe der
aus dem Absatz der deutschen Waren in Palästina zur Verfügung stehenden
308 Mit dieser Frage setzen sich v.a. Doron Rabinovici (Instanzen der Ohnmacht, 2000) und Jehuda
Bauer (Freikauf von Juden, 1996) auseinander.
309 Werner Feilchenfeld, zit. in: Wetzel, Auswanderung, S. 465 f. Vgl. Nicosia, Zionismus, S. 94 f.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918