Seite - 119 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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dieser Plan unter Berücksichtigung der Tatsache, dass von Reichs wegen eine
selbständige Staatsbildung der Juden in Palästina verhindert werden soll,
undiskutabel. b) Eine Erhöhung des Warentransfers nach dem Vorderen und
Mittleren Orient würde bedeuten, dass diese Länder dem deutschen Reich
als „deviseneinbringende Länder“ verloren gehen würden. Ferner würde das
vom Reichswirtschaftsministerium großgezogene und von uns bekämpfte
‚Haavara-System‘ gestärkt werden.“319
Neben vorangehender Kritik setzte sich im Laufe der Debatten bei den meisten Stel-
len der NS-Regierung und der NSDAP die Haltung durch, dass die Auswanderung
trotz der erlaubten Mitnahme von Besitz nicht im gewünschten Tempo erfolgte
und die jüdische Bevölkerung auch so ausgewiesen werden könnte. Schrittweise
eingeschränkt, fand das Abkommen schließlich mit Kriegsbeginn ein Ende. Offiziell
eingestellt wurde die Haavara im Jahr 1941.
Österreichische Transfermodelle und kollektive Siedlungspläne in
Palästina
Die positiven Erfahrungen, die die Jewish Agency beim Kapital- und Warentrans-
fer von Deutschland nach Palästina gesammelt hatte, führten dazu, dass auch mit
Regierungen anderer Staaten, in denen Jüdinnen und Juden unter wirtschaftlich
schwierigen Bedingungen zur Auswanderung getrieben wurden, verhandelt wurde.
Gespräche fanden in Polen, Ungarn, Italien und in der Tschechoslowakei statt, blie-
ben aber entweder von vornherein erfolglos oder konnten aufgrund des Kriegsaus-
bruchs nicht umgesetzt werden. Für die jüdische Bevölkerung Österreichs wurde die
Frage einer Auswanderung nach Palästina verbunden mit einem Vermögenstransfer
zu einem Zeitpunkt aktuell, als die Haavara von den deutschen Behörden bereits
erheblich eingeschränkt worden war und als sich herauskristallisiert hatte, dass sich
die Aufnahmefähigkeit der palästinensischen Wirtschaft für die dem Abkommen
dienenden Güter nicht entwickelt hatte. Die Ausdehnung des Vertrages auf Öster-
reich wurde daher zuvorderst von Eichmann, aber auch vom Reichswirtschaftsmi-
nisterium und der Reichsbank abgelehnt. Die nationalsozialistische Beraubungs-
und Vertreibungspolitik hatte für die österreichischen Jüdinnen und Juden nach
dem „Anschluss“ eine Situation entstehen lassen, die wesentlich ungünstiger war
als jene der deutschen vor 1938. Waren die Auswanderungsmöglichkeiten generell
schon unzulänglich, so blieb im Falle Palästinas zunächst außerdem völlig unklar,
wie die Emigration finanziert werden sollte. Unterstützungen von ausländischen
zionistischen Organisationen sowie die beschränkten Mittel, über die die Jewish
Agency verfügte, flossen direkt nach Palästina, um die Niederlassung der großteils
mittellosen Immigrantinnen und Immigranten zu gewährleisten. Reisekosten und
mit der Auswanderung verbundene Verwaltungsausgaben sollten hingegen im Her-
319 „Bericht über die Palästina-Ägyptenreise von Hptscharf. Eichmann und St-O’Scharf. Hagen“,
4. 11. 1937. BA, R 58/954, f.1, S. 34 f.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918