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mit dem übrigen Deutschland zu gelangen, wahrscheinlicher wäre aber, dass sich
ausschließlich Maschinen transferieren lassen würden. Trotz aller Schwierigkeiten,
auf die die Kommission als Verfasserin des Berichts verweist – die Kleinheit des
palästinensischen Marktes, die beschränkte Aufnahmefähigkeit für Qualitätspro-
dukte, die Konkurrenz von „arischen“ Firmen in Wien und jüdischen Firmen im
Ausland, die Arbeitslöhne etc. –, steht sie der praktischen Verwirklichung der Ini-
tiative positiv gegenüber und empfiehlt die Weiterverfolgung derselben.324
Projektvorschläge österreichischer Jüdinnen und Juden gab es auch im Bereich
des Siedlungstransfers, der für die über Eigenmittel verfügenden Einwanderinnen
und Einwanderer den Erwerb einer Wirtschaft im Rahmen einer landwirtschaftli-
chen oder städtischen Kolonie vorsah. Errichtet wurde diese zumeist von der bereits
erwähnten Siedlungsgesellschaft „Rassco“, deren Aufgaben darin bestanden, den
selbst erworbenen oder vom „Jüdischen Nationalfonds“ zur Verfügung gestellten
Boden zu parzellieren, „siedlungsreif“ zu machen und die Siedlerinnen und Siedler
beim Aufbau der Siedlung zu unterstützen.325 Zwischen 1937 und 1939 wurden die
Mittelstandsdörfer Kfar Schmarjahu, Sdeh Warburg und Beth Jizchack sowie die
kollektive Siedlung Schawej Zion errichtet, womit Teilen der jüdischen Bevölke-
rung Deutschlands nicht nur die Emigration, sondern gleichzeitig die berufliche
Einordnung in Palästina ermöglicht wurde. Hunderte Einwanderinnen und Ein-
wanderer aus städtischen Berufen (Akademiker, Kaufleute, Beamte etc.) konnten
sich in kooperativer Form und unter fachlicher Instruktion eine neue Existenz als
Landwirte aufbauen.326
Nachdem die „Zionistische Weltorganisation“ beschlossen hatte, die Tätigkeit der
„Rassco“ auf andere Länder auszudehnen, wurde die Arbeit auch in Österreich, der
Tschechoslowakei, in Rumänien und Jugoslawien aufgenommen; in Wien und Prag
wurden Zweigstellen eingerichtet. Konzepte für Siedlungsmöglichkeiten österrei-
chischer Jüdinnen und Juden in Palästina wurden in der Regel direkt der „Rassco“
oder der Jewish Agency, manchmal
– wie im Falle eines Exposés über ein allgemei-
nes Transferschema – auch der Kultusgemeinde übermittelt. Dem unbekannten
Verfasser des Konzeptes zufolge könnten möglichst viele Mittelständler nach Paläs-
tina kommen, wenn die ihnen zur Verfügung stehenden transferierbaren Barmittel
durch Maschinen- und Materialeinkauf ergänzt werden würden. Geeignete Siedler
sollten in Gruppen von je 40 Familien (ca. 120 Personen) mit Barmitteln von je RM
30.000,– einwandern. Durch Hilfsgelder, Darlehen und Zuschüsse, z. B. vom „Keren
Hajessod“, müsste ein finanzieller Überschuss entstehen, mit dem beispielsweise
Maschinen, Baumaterialien und Saatgut gekauft und eventuell künftige Siedlerin-
nen und Siedler unterstützt werden könnten.327
Konkreter formuliert ist der Emigrations- und Siedlungsplan einer Gruppe um
den Wiener Ladislaus Rado, der der Jewish Agency vorgelegt wurde und dessen
324 Über die Realisierung des Projektes ist nichts bekannt. CZA, S7/722, S. 110–119.
325 Die Arbeit der „Deutschen Abteilung“. Aus dem Bericht des Zentral-Büros für die Ansiedlung
deutscher Juden bei der Jewish Agency. In: Jüdische Welt-Rundschau Nr. 22 (2. 8. 1939) S. 8.
326 Feilchenfeld, Haavara, S. 59 f.
327 CAHJP, A/W 2492,5.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918