Seite - 125 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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zu sein – die „Rassco“ musste also bis Jahresende die Kaufabschlüsse tätigen und
der Devisenstelle vorlegen.
Wie viele Personen sich letztendlich der Aktion angeschlossen hatten, welche
Vermögenssummen der Bank insgesamt „anvertraut“ wurden und wie hoch die
Anzahl an steirischen Jüdinnen und Juden war, die im Rahmen des Transferpro-
grammes tatsächlich nach Palästina gelangt sind, bleibt völlig unklar. Eine Auf-
stellung vom 15. Jänner 1940 informiert zwar über die registrierten Personen und
verzeichnet Verbindlichkeiten, Forderungen und Schätzwerte von Immobilien etc.,
es scheint aber, dass hier Teilnehmende der eigentlichen „Aktion Judenauswande-
rung aus der Steiermark“ mit jenen, die der auf Graz ausgeweiteten „Gildemeester-
Aktion“336 angehörten, vermischt wurden. Wenn auch das eine oder andere Mal
eine Adresse in Palästina als aktuell angegeben wird,337 so wird nicht deutlich, auf
welchem Weg bzw. im Rahmen welcher Aktion das Land erreicht wurde.
Die Schwierigkeiten, die der Aktion ein Ende bereiteten, werden in zwei Sch-
reiben des Provinzreferates Steiermark vom März 1940338 und Jänner 1941339
ersichtlich: Der Kriegsausbruch im September 1939 und schließlich der Ablauf der
Devisengenehmigung Ende des Jahres hatten den Transfer zum Stillstand gebracht,
sodass im Endeffekt Waren im Wert von nur RM 49.366,69 bezogen werden konn-
ten. Firmen, mit denen über weitere Lieferungen verhandelt wurde, lehnten zum
Großteil aufgrund der kriegsbedingten Änderung der Verhältnisse (Frachten, Risiko
etc.) ab. Zur selben Zeit wurde außerdem die Zuteilung von Palästina-Zertifikaten
eingestellt. Da sämtliche Voraussetzungen für die Durchführung der Aktion ent-
fallen waren, bemühten sich die Teilnehmerinnen und -Teilnehmer gemeinsam
mit ihrem Interessenvertreter, dem Provinzreferat, den Warentransfer durch einen
Geldtransfer zu ersetzen. Dieser sollte „im Wege der Kultusgemeinde“ und nach
Zusicherung des Palästina-Amtes, die notwendigen Zertifikate auszustellen, erfol-
gen.340 Gleichzeitig wurde versucht, beim Bankhaus Krentschker die Auflösung der
Aktion durchzusetzen, wobei „unüberbrückbare Gegensätze in der Beurteilung
der Rechtslage“ auftauchten. Nach der Ankündigung, Zahlungen an die noch im
Land lebenden Teilnehmer mit 1. Jänner 1941 einzustellen, wandte sich das Pro-
vinzreferat an die Devisenstelle Wien, um die Loslösung der Guthaben sowie die
Gutbuchung dieser Beträge (insgesamt RM 334.117,05) auf die einzelnen Konten
der noch nicht Ausgewanderten zu erwirken, um diesen wenigstens die Finanzie-
336 Obwohl der Palästina-Transfer organisatorisch vollständig getrennt von der „Aktion Gildemeester“
durchgeführt wurde, scheint es so, als hätte sich das Büro „Aktion Judenauswanderung aus der Stei-
ermark“ auch um die Grazer „Gildemeester-Fälle“ gekümmert. Vgl. Venus/Wenck, Gildemeester,
S. 178.
337 Generell muss die Richtigkeit der Adressangaben insbesondere nach Kriegsausbruch und ange-
sichts der Tatsache, dass Zielländer auf mehreren Etappen erreicht wurden, angezweifelt werden.
338 Archiv der IKG Wien/Bestand Wien/A/VIE/IKG/II/AUS/14/3.
339 Provinzreferat Steiermark an Robert Prochnik, 10. 1. 1941, CAHJP, A/W 2521.
340 Laut einem Aktenvermerk über ein Treffen zwischen der IKG, dem Bankhaus Krentschker und
Obersturmführer Alois Brunner im Mai 1941 versuchte Josef Löwenherz beim „Joint“ zu beantra-
gen, gegen Bezahlung der für die ausgewanderten „Rassco“-Teilnehmenden freiwerdenden Gelder
an die IKG Wien gewisse Dollar-Beträge zu erwirken und diese bei einer amerikanischen Bank zu
deponieren. Archiv der IKG Wien/Bestand Wien/A/VIE/IKG/II/AD/2/1.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918