Seite - 127 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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sche Auswanderung“ und der „Aktion Gildemeester“ „Auswanderungsmodelle“
gefunden worden waren, die die Verknüpfung von Vertreibung und Beraubung
der jüdischen Bevölkerung ermöglichten. Dass der Transferplan dennoch bewilligt
wurde und Teile der steirischen Jüdinnen und Juden damit von den allgemeinen
Auswanderungsregelungen der Nationalsozialisten ausgenommen wurden – auf
das Scheitern des Vorhabens sowohl in Bezug auf die Emigration als auch auf den
Warentransfer sei hier noch einmal verwiesen
–, lässt sich nur dahingehend erklä-
ren, dass mit der Aktion „Anreize“ zu einer beschleunigten Ausreise geschaffen
wurden, die, nachdem die gewünschte Wirkung ausgeblieben war und sich gezeigt
hatte, dass Jüdinnen und Juden aus den übrigen Gebieten Österreichs ohnehin
außer Landes getrieben werden konnten, wieder zurückgenommen wurden. Mit
den kriegsbedingten Liefer- und Zertifikatsschwierigkeiten und schließlich dem
Wegfall der Devisengenehmigung erledigte sich das „Problem“ für die Nationalso-
zialisten spätestens Ende 1939 von selbst.
Bei der Informationsbeschaffung griff der SD auf Auslandsmitarbeiter des „Deut-
schen Nachrichtenbüros“ und mehrere „V-Leute“ (Vertrauensleute) zurück –
darunter der jüdische Informant Feivel Polkes, der der Untergrundorganisation
„Haganah“343 angehörte und sich von der „Kooperation“ eine erleichterte Auswan-
derung der deutschen Jüdinnen und Juden nach Palästina erhoffte.344 Mit dem Ziel,
Kontakte zur zionistischen Führung in Palästina herzustellen, reisten die Referenten
Eichmann und Hagen darüber hinaus persönlich ins Land. Die dreiwöchige Reise,
über die ein 50 Seiten starker Bericht345 vorliegt, blieb allerdings ohne konkrete
Ergebnisse.
Auch wenn Palästina als Zielland prinzipiell favorisiert wurde, hing die Haltung
der SD-Führung zur zionistischen Emigration gleichwohl vom Tempo der Aus-
wanderung ab. Ein Kurswechsel, vor allem bezüglich des Haavara-Abkommens,
zeichnete sich 1937 infolge des „Peel-Planes“ ab, als die Möglichkeit der Bildung
eines jüdischen Staates in Palästina realistisch geworden war. Noch während die
Beratungen des Peel-Ausschusses liefen, warnte von Bülow-Schwante vor einer
Massenübersiedlung von Jüdinnen und Juden nach Palästina. Es wäre nicht im
deutschen Interesse, „zum Anwachsen des jüdischen Einflusses in Palästina durch
die Förderung der Einwanderung der hochgebildeten deutschen Juden in einem
solchen Maße beizutragen, damit dadurch die Errichtung eines jüdischen Natio-
nalstaates oder einer ‚nationalen Heimstatt‘ im Rahmen eines britischen Protek-
toratgebietes notwendigerweise beschleunigt wird.“346 In einem Telegramm an die
deutschen Botschaften in London und Bagdad und das Generalkonsulat in Jerusa-
343 Hebr.: Verteidigung, Schutz; die bis 1948 geheime Verteidigungsorganisation des Yishuvs, der jü-
dischen Bevölkerung in Palästina.
344 Zur Person Polkes siehe u. a. den SD-Bericht vom 17. 6. 1937, BA, R 58/954, f. 1 sowie die Ausfüh-
rungen bei Venus/Wenck, Gildemeester, S. 57–60.
345 „Bericht über die Palästina-Ägyptenreise von Hptscharf. Eichmann und St-O’Scharf. Hagen“,
4. 11. 1937. BA, R 58/954, f.1
346 Zit. in: Nicosia, Zionismus, S. 185.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918