Seite - 128 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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lem vom 1.
Juni 1937 legte Außenminister Konstantin von Neurath die politischen
Richtlinien in Bezug auf die aktuellen Entwicklungen vor:
„1. Bildung eines Judenstaates oder jüdisch geleiteten Staatsgebildes unter
britischer Mandatshoheit liegt nicht im deutschen Interesse, da ein Palästi-
na-Staat das Weltjudentum nicht absorbieren, sondern zusätzliche völker-
rechtliche Machtbasis für internationales Judentum schaffen würde, etwa wie
Vatikan-Staat für politischen Katholizismus oder Moskau für Komintern.
2. Es besteht daher ein deutsches Interesse an Stärkung des Arabertums als
Gegengewicht gegen etwaigen solchen Machtzuwachs des Judentums […]“347
Die deutschen Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet: Aufgrund des massi-
ven Widerstands der zionistischen Führung und den gewaltreichen Auseinander-
setzungen zwischen jüdischer und arabischer Bevölkerung in Palästina wurden die
Empfehlungen des Teilungsplanes nicht umgesetzt. Anfang 1938 sprach sich Hitler
erneut für eine Förderung der jüdischen Auswanderung nach Palästina aus.348 Die
von der britischen Mandatsregierung eingeschränkten Immigrationsmöglichkeiten
wurden dabei, so wie die Aufnahmebestimmungen und -kapazitäten der Zielländer
von der nationalsozialistischen Führung generell unberücksichtigt blieben, außer
Acht gelassen. Selbst nach Kriegsbeginn unterbanden die deutschen Behörden den
Flüchtlingsstrom nach Palästina nicht,349 vielmehr unterstützten sie die Emigran-
tinnen und Emigranten gemäß ihrer Vertreibungspolitik, die ab 1939 überwiegend
auf illegale Weise ins Land kamen, und griffen bei der Organisation der Unterneh-
mungen aktiv ein. Zum Zentrum der illegalen Aktivitäten wurde dabei die ehema-
lige österreichische Hauptstadt, in der das vom SD entwickelte Vertreibungs- und
Beraubungskonzept ab März 1938 erstmals in die Praxis umgesetzt wurde und sich
als erfolgreich erwies.
„Exerzierfeld“ Österreich
Mit dem am 13. März 1938 verabschiedeten „Gesetz über die Wiedervereinigung
Österreichs mit dem Deutschen Reich“ war der „Anschluss“ offiziell vollzogen
worden. Die Zuversicht, mit der Teile der jüdischen Bevölkerung der „Volks-
abstimmung“ vom April entgegen blickten, wurde umgehend zerschlagen, als
deutlich wurde, dass Österreich über Nacht zum „Exerzierfeld für antijüdische
Nazipraktiken“350 geworden war. Mit unwahrscheinlicher Geschwindigkeit wurde
ein Teil der über 250 bis zum Kriegsausbruch erlassenen Verordnungen noch in
347 Abgedr. in: Vogel, Dokumente, S. 125. Zit. auch in: Nicosia, Zionismus, S. 192 f.
348 Wildt, Judenpolitik, S. 44.
349 „Bis ich den Befehl erhielt, die Auswanderung einzustellen, hatte ich keinerlei Anweisungen, die
Auswanderung nach Palästina, selbst in den ersten Kriegsjahren, zu unterbinden.“, gab Eichmann
bei seinem Prozess in Jerusalem an. Zit. in: Nicosia, Zionismus, S. 249.
350 Herbert Rosenkranz, „Reichskristallnacht“. 9. November 1938 in Österreich, Wien 1968, S. 11.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918