Seite - 140 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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henden Wohnungskündigungen und zuletzt auch bei drohenden Deportationen
erfolgreich einzuschreiten.
Im Unterschied zu Deutschland, wo die jüdische Presse nach 1933 nicht sofort
und vollständig eingestellt worden war, wurden in Österreich noch am Tag des
„Anschlusses“ sämtliche jüdischen Zeitungen verboten. In der Folge genehmigten
die Nationalsozialisten die Herausgabe eines einzigen jüdischen Blattes, das unter
dem Namen „Zionistische Rundschau“ zwischen 20. Mai und 4. November 1938
wöchentlich in Wien erschien. Eichmanns Motivation, die Veröffentlichung der
Zeitung zu bewilligen, lag unter anderem in der Möglichkeit begründet, die natio-
nalsozialistischen Verordnungen und neuen Rechtsbestimmungen zu publizieren
und damit große Teile der jüdischen Bevölkerung zu erreichen. Im Zentrum der
Berichterstattung lagen Auswanderungsangelegenheiten, wobei neben allgemeinen
Informationen zu Emigrationsmöglichkeiten, Devisen- und Gepäckbestimmungen
etc. dem Zielland Palästina die größte Aufmerksamkeit zuteilwurde. Schon in der
ersten Ausgabe nahmen die Herausgeber die Gelegenheit wahr, auf die Bedeutung
Palästinas für die Emigration der österreichischen Jüdinnen und Juden und die
Zukunft des Judentums im Allgemeinen hinzuweisen:
„Unser Lebensraum in der Diaspora ist karg bemessen, unsere Rechtsstel-
lung gemindert, und wir müssen uns auch mit dem Gedanken vertraut ma-
chen, dass wir uns hier in einem befristeten Provisorium befinden. […] Wir
wissen aber, dass eine Wanderung, die nicht die Erhaltung der jüdischen
Nation zum Ziele hat und die sich rein nach augenblicklichen geographi-
schen Gesichtspunkten orientiert, nur eine für kurze Zeit ausreichende Er-
leichterung bedeutet. Wir müssen aber eine Lösung des Problems anstreben,
die einerseits das Judentum aus seiner bedrängten Lage befreit, andererseits
ihm die Möglichkeit schafft, sein Schicksal selbst zu formen. Wird die Dia-
spora von heute in eine andere Diaspora umgestaltet, so bedeutet dies nur
eine Fortsetzung eines Zustandes, der die Seele zermürbt. Unser Volk muss
auf öffentlich-gesichertem Boden seinen Staat erhalten, auf einem für die
Millionen der zur Wanderung Gezwungenen ausreichendem Gebiet. Und
das ist nur Palästina und kann nur Palästina sein, mit dem wir in einer
historischen Verbundenheit stehen, die von allen Mächten als historische
Tatsache anerkannt worden ist.“391
Obwohl die Inhalte einer strengen Kontrolle und Zensur unterlagen, wurde unter
der Leitung des Chefredakteurs Emil Reich ebenfalls über Politik und Wirtschaft
in Palästina, über bedeutende jüdische Persönlichkeiten und Sporterfolge berich-
tet. Dass in mehreren Artikeln an das jüdische Selbstbewusstsein appelliert392 und
391 „Besinnung und Einkehr“. In: Zionistische Rundschau, Jg. 1 (1938) Nr. 1, S. 1.
392 Etwa in Form eines Aufrufs an die Juden Wiens von Amtsdirektor Löwenherz und Oberrabbiner
Taglicht: „Wir aber wollen uns mit Würde und in strenger Disziplin den neuen Verhältnissen
anpassen und durch ausgedehnte Selbsthilfe und Opferbereitschaft unserer Gemeinde die Mög-
lichkeit einer weiteren gedeihlichen Arbeit schaffen, damit wir nicht den einzigen Mittelpunkt des
jüdischen Lebens verlieren. Unsere Kinder sollen nicht namenlos, ohne Halt und Selbstvertrauen
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918