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und Stipendien vergeben. Schließlich versuchte die Organisation die Hebräisierung
voranzutreiben und bot neben zahlreichen Sprachkursen auch Veranstaltungen und
Vorträge zu kulturellen, politischen und historischen Themen an.413 Während sich
die Führung des Yishuvs und die zionistischen Institutionen in Palästina aufgrund
der politisch und wirtschaftlich schwierigen Situation des Landes in Bezug auf die
Ereignisse in Österreich vom März 1938 zunächst abwartend verhielten
– eine Hal-
tung, die in der Folge von verschiedenen Seiten massiv kritisiert wurde
–, reagierte
der zu diesem Zeitpunkt noch als HOA agierende Immigrantenverband rasch und
deutlich.414 Neben der Deklaration als führende Kraft bei den Hilfsaktionen für die
österreichischen Jüdinnen und Juden und einem an den Yishuv gerichteten Aufruf
in der Presse, energisch zu protestieren und materielle Hilfe zu leisten415, wandte
sich die HOA Jerusalem als Vertretung des Landesverbandes auch direkt an die
Einwanderungsabteilung der Jewish Agency.416 Der Anspruch, in dieser Angele-
genheit das Wort zu erheben, wurde dahingehend gerechtfertigt, dass die leitenden
zionistischen Stellen in Österreich als eigentliche Interessenvertretung der jüdischen
Bevölkerung ausgeschaltet, die Führer verhaftet und das Palästina-Amt selbst in
seiner freien Meinungsäußerung empfindlich gehemmt wäre. Ferner müsste ver-
mieden werden, „dass etwa in irriger Auffassung eines Stillschweigens unsererseits
der Ernst der Lage irgendwie unterschätzt werde“. Auch wenn die jüdische Führung
auf die nationalsozialistische Machtübernahme in Österreich vollkommen anders
als auf jenen in Deutschland reagierte
– 1933 hatten in Palästina Protestversamm-
413 1942 spaltete sich die HOGOA in zwei Körperschaften: in die politische Organisation „Alija Cha-
dascha“ und in die eigentliche Nachfolgeorganisation „Irgun Olej Merkas Europa“. Die Vereinigung
der Einwanderinnen und Einwanderer mitteleuropäischer Herkunft besteht bis heute und nimmt
karitative, gesellschaftliche und kulturelle Aufgaben wahr. Bedeutend war das seit 1933 zunächst als
Wochenzeitschrift erschienene Mitteilungsblatt des „Irgun“, das die Immigrantinnen und Immig-
ranten mit Nachrichten in deutscher und hebräischer Sprache versorgte. Siehe Rafaela Stankewicz,
Der Irgun Olej Merkaz Europa (IOME). [http://www.noam.org.il/]; Adunka, Exil, S. 17–31. Siehe
ebenfalls Michael Volkmann, Neuorientierung in Palästina. Erwachsenenbildung deutschsprachi-
ger jüdischer Einwanderer 1933 bis 1948, Köln 1994, v.a. S. 164–182.
414 Niederland, Immigration, S. 341–348.
415 Der Wortlaut eines Aufrufs im Mitteilungsblatt der HOA: „In Wien stehen zweihunderttausend
Juden vor Selbstmord, Elend und Vernichtung. Die Katastrophe, von der man erwarten konnte, sie
werde sich in dieser Form auf die Zeit des ersten Ausbruchs beschränken, währt nun doch schon
mehr als ein Vierteljahr und steigert sich sogar immer noch weiter. Die Vorgänge dulden keinen
Vergleich mit dem, was in Deutschland geschah. Und man weiß nicht, was mehr Grauen hervorzu-
rufen vermag: ob die Ereignisse selbst, ob die Stumpfheit einer Welt, die all dies zur Kenntnis nimmt
und schweigend registriert. Die Stumpfheit einer Welt – und das ist der furchtbarste Schlag –,
zu der auch wir selber gehören. Ja, auch wir selber – der Jischuw dieses Landes, die Zionistische
Organisation und ihre berufenen Vertreter – sind von einer lähmenden Stumpfheit befallen. Wir
nehmen die Nachrichten, die uns täglich ereilen, wie Hammerschläge, die uns betäuben, und nicht
wie Stiche ins Fleisch, die zu jähem Aufbäumen führen und letzte Energien erwecken. […] Ich sehe
auf die Stimmung des Jischuw und ich vergleiche sie mit 1933. Wo sind die Proteste? Ich meine
nicht die Versammlungsproteste, in denen man Volkserregung organisiert; ich meine den echten
Aufschrei, wie er hier 1933 spontan aus dem Herzen drang. Ich meine die Stimmung, die nicht auf
die Tätigkeit der Exekutive wartet und ihren mangelnden Elan kritisiert, sondern sie durch den
eigenen Schwung mitreißt zur Tat. […].“ Gustav Krojanker, Zertifikate für Wien. In: Mitteilungs-
blatt der HOA (Juli 1938) S. 7 f.
416 HOA Jerusalem an die Einwanderungsabteilung der Jewish Agency, 25. 3. 1938. CZA, S6/3691.
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918