Seite - 152 - in Land der Verheißung – Ort der Zuflucht - Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
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„Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugend-Alijah“, zu der die „Jüdische Waisen-
hilfe für das Jugenddorf Ben-Schemen“ und das Berliner „Kinderheim Ahawah“430
gehörten, widmete sich der Informations- und Werbearbeit und den finanziellen
Angelegenheiten. In den ersten beiden Jahren gelangten bereits knapp 1.000 junge
deutsche Jüdinnen und Juden im Rahmen der Jugend-Alijah nach Palästina, wo sie
überwiegend in landwirtschaftlichen Siedlungen, zum Teil in Ben Schemen oder in
„Ahawah“-Heimen untergebracht wurden. Durch die sich verschlechternde politi-
sche und wirtschaftliche Situation verzeichnete das Programm in den Folgejahren
einen rasanten Anstieg an Bewerber- und Auswandererzahlen, ebenfalls vergrö-
ßerte sich das Gebiet, aus dem die Jugendlichen ihre Alijah antraten, und letztlich
veränderte sich auch der Charakter der Jugend-Alijah: Ideologische und pädago-
gische Ziele wichen hinter den rein pragmatischen Zweck, den jüdischen Kindern
zur Flucht zu verhelfen, zurück.
Die österreichische Jugend-Alijah
Bestrebungen, die Jugend-Alijah auf Österreich auszuweiten, kamen bereits im
März 1938 auf, konnten allerdings erst nach der Wiedereröffnung der mit dem
„Anschluss“ geschlossenen jüdischen Institutionen sowie nach Verhandlungen
mit den Briten umgesetzt werden. Zur Organisation und Durchführung wurde
im Juni im Rahmen des Palästina-Amtes die „Beratungsstelle der Jugend-Alijah“
eingerichtet, als deren Rechtsträger der „Zionistische Jugendverband“ agierte. Unter
der Leitung von Georg Überall vereinte der der Berliner Jugendhilfe ähnelnde Ver-
band sämtliche chaluzischen Jugendbünde. Mit dem Aufbau der österreichischen
Jugend-Alijah nach deutschem Vorbild wurde Marduk Schattner, ein Emissär aus
Palästina („Schaliach“), nach Wien entsandt, zu dessen von August bis Oktober
1938 ausgeübten Tätigkeiten unter anderem die Auswahl der Kandidatinnen und
Kandidaten und die Regelung der Finanzen zählten. Schattners Arbeit gestaltete
sich aufgrund der seit längerem bestehenden Spannungen und Kompetenzstrei-
tigkeiten zwischen Palästina-Amt und „Hechaluz“ und der zum Teil mangelnden
Unterstützung der Kultusgemeinde schwierig.431 Das konfliktreiche Verhältnis der
einzelnen Stellen schlug sich auch im Bereich der Finanzierung nieder: Prinzipi-
ell war vorgesehen, dass die von verschiedenen Organisationen (z. B. der „Hadas-
sah“) akquirierten Spenden für die in Palästina anfallenden Kosten (Aufbau und
Erhaltung der Ausbildungsstätten, Ausbildung und Versorgung der Jugendlichen)
herangezogen werden sollten, während die mit der Administration, Vorbereitung
und Auswanderung verbundenen Kosten432 von den jüdischen Institutionen im
430 Zur Geschichte des „Ahawah“-Heims siehe Ayelet Bargur, Ahawah heißt Liebe. Die Geschichte des
jüdischen Kinderheims in der Berliner Auguststraße, München 2006.
431 Beispielsweise beklagte Schattner, dass ihm die benötigen Räumlichkeiten und Küchen nicht zur
Verfügung gestellt wurden. Später ging es auch um finanzielle Zuwendungen, die seitens der Kul-
tusgemeinde ausgeblieben waren. CAHJP, A/W 2508; vgl. Anderl, Emigration, S. 229 f.
432 Die größten Posten des Budgets waren die Miete und Erhaltung der „Hachscharah“-Plätze, des Bü-
ros und der Jugend-Alijah-Schule, Personal-, Reise- und Ausrüstungskosten sowie ärztliche Hono-
Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Titel
- Land der Verheißung – Ort der Zuflucht
- Untertitel
- Jüdische Emigration und nationalsozialistische Vertreibung aus Österreich nach Palästina 1920 bis 1945
- Autor
- Victoria Kumar
- Verlag
- Studienverlag Ges.m.b.H.
- Ort
- Innsbruck
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7065-5419-0
- Abmessungen
- 15.6 x 23.4 cm
- Seiten
- 216
- Schlagwörter
- Palestine/Israel, Aliyah/Zionism, Jewish history of Austria, National Socialism in Austria, Palästina/Israel, Alijah/Zionismus, Jüdische Geschichte Österreichs, Nationalsozialismus in Österreich
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918