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388 Brigitten-Aueu. BrigittensRirchweihfest.
ihm ertheilten Instructionen, und nach Erfordernis; der augenblicklich
sich ergebenden Vorfalle.
Brigi t ten-Aue und Brigitten-Rirchweihfest. Die B. A.
in Wien stösit unmittelbar an den Augavten (s. d.) und an die Donau,
gegen deren Austreten sie mit Dämmen durchschnitten ist. — I n dieser
Aue geschah es am Brigitta-Tage 1645, daß der Erzherzog Leopold
Wi lhe lm von Osterreich, dem schwed. Heere gegenüber campirend,
von einer neben ihm niederfallenden feindlichen Kugel unbeschädigt blieb.
Dieß ist der Ursprung des Nahmens dieser Aue, und der Erbauung der
niedlichen Brigitta-Capelle. Es befinden sich hier ein Jägerhaus und
4 Wirthshäuser. Die großen freyen Wiesenplätze dieser Aue geben geeig-
neten Raum zu dem alljährlich im Iu ly , zur Zeit des Leopoldstädter«
Margaretha-Jahrmarktes stattfindenden B. K. An den zwey Tagen des-
selben spricht sich der Volkshumor der Wiener am lebendigsten und unge-
zwungensten aus. Wohl 60—30,000 Menschen finden sich da ein; am
zweyten Tage besieht diese Volksbelustigung die elegante Welt, der höhere
Bürgerstand,derAdel,meist auch Glieder der kais.Familie. Da sind Hunderte
von Buden, von Wein-, Bier- und Branntwein-Schenken, von Tanz-
böden mit den possirlichsten Aushängeschildern, Lauben; von Leyerlasten,
um die im Grase getanzt wird, von Taschenspielern, Marionettengau-
llern u. dgl. Alles wogt und treibt sich in buntem völlig entfesselten Oe<
wühl durcheinander, trinkt und schmaust, tanzt und singt, musicitt
und jubelt, und das ohne auffallende ärgerliche Auftritte, mit einer
gewissen Besonnenheit, und vernünftigen Haltung, so daß nur äußerst
selten Excesse vorfallen. Dieser Umstand characterisirt nicht anders als
auf das Vortheilhafteste die Natur des Wieners, wie überhaupt je-
des Österreichers, dem Ordnung über alles gilt, und der sich im Gefühl
der Gesetzlichkeit und Ziemlichkeit stets zu beherrschen weiß. Daß es bey
gewissen Fällen und Individualitäten Ausnahmen gebe, wo sich die Lust
zum Culminationspuncte steigert, braucht wohl kaum erwähnt zu wer-
den. Ein Glas Wein mehr wirkt in Gemüthern, welche jedem Eindru-
cke offen stehen, Wunder, übrigens kann bey dem Wiener Volke die
auf den höchsten Grad gesteigerte Lust bey gewissen Gelegenheiten wohl
zuweilen in Ausgelassenheit, ja in eine gewisse Derbheit, nie aber in
offenbare Rohheit, oder wohl gar Tücke und Bosheit ausarten. Sehr er-
götzlich für den unbefangenen Zuschauer ist die bey diesem Volksfeste herr-
schende Abwechslung : Polichinells, Leyermänner, Seiltänzer, Gaukler
aller Art, Savoyarden mit Affen und Murmelthieren, Männer mit
Gewichten und Wagen, Baumkletterer, Sänger und Tänzer drängen
sich in buntem Oewirre, Niemand ist unthätig, und jedes Dargebothene
willkommen; auf den Grasplätzen lagern sich lebenslustige ehrenfeste Fa-
miliengruppen, kalte Küche, in großen Körben mitgebracht, verzehrend,
der Flasche fleißig zusprechend, und dem tollen Treiben in behaglicher
Ruhe zusehend, während sich die ehrsamen Bürger mit muntern Ge-
sprächen ergötzen, und die frohe Jugend auf dem grünen Boden herum-
tummelt. Gegen die Mitternacht vom Montag auf den Dinstag hört
diese tobende Lust allmählich auf, und die Tausende von Menschen wan-
deln qemüthlich nach Hause. Einen schönen Gegensatz zu diesem Treiben
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe A-D, Band 1
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe A-D
- Band
- 1
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 788
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie