Seite - 146 - in Österreichische National-Enzyklopädie - Buchstabe E-H, Band 2
Bild der Seite - 146 -
Text der Seite - 146 -
146 Fischer/ Mar t i n .
ihn sein Vater endlich im 15. Jahre zu einem, freylich nu» niittelma'ßi«
gen Bildhauer in die Lehre, wo er von der Kunst nichts als höchstens ei»
nige mechanische Handgriffe erlernte, doch hatte er wenigstens Gelegen-
heit, durch aufmerksame Beobachtung der Natur und der Verhältnisse des
menschlichen Körpers sich neue Ideen zu schaffen und zu seiner ferneren Bil-
dung den Grund zu legen. Nach seiner Freysprechung faßte F. den Vor-
satz, nach Wien zu reisen, um sich in seiner Kunst vollständig auszu-
bilden, und er führte ihn 1760 mit großer Lernbegierde und einer höchst
mäßigen Baarschaft aus. Kaum daselbst angekommen, fand er bey einem
freylich nur ganz gewöhnlichen Bildhauer Beschäftigung, welcher er
durch 2 Jahre oblag, bis er Gelegenheit fand, dem damahligen Prof.
Schletterer an der Akademie ein nach eigenen Ideen verfertigtes Cru-
cifir zu zeigen, von selbem liebreich aufgenommen wurde und Gelegenheit
erhielt, die Akademie zu besuchen. Nun bildete er sich durch 4 Jahre
unter dieses KünstlersAugen, und als sich derselbe endlich durch kränkliche Um-
stände genöthigt sah, sich von aller Arbeit gänzlich loszusagen, war F.
bereits in seiner Kunst so weit fortgeschritten, daß er seine eigene Bahn
zu gehen im Stande war. Bald zeigte sich auch eine Veranlassung, seine
erlangten Kenntnisse geltend zu machen, er unternahm auf Messer-
sch mid t's Antrag, mit selbem gemeinschaftlich dieVerzierung derFa^ade
des Palastes der Prinzessinn Emanuele von Savoyen (Nichte E u»
gen's) und der gute Erfolg dieser Unternehmung verschaffte ihm bald
bedeutenden Ruf und viele Bestellungen größerer und umfassenderer Ar-
beiten. Nunmehr faßte er auch den Entschluß sich bleibend in Wien nie»
derzulassen, und vereheligte sich 1768 vortheilhaft, wodurch er auch in
den Stand gesetzt wurde, für sich allein größere Arbeiten unternehmen
zu können; er widmete sich auch mit größtem Eifer dem Studium der
Natur und der Antiken, besonders aber der Anatomie, die ihm mit
Recht die Grundlage der bildenden Kunst zu seyn schien. Um diese Zeit
verfertigte er nach Auftrag des Fürsten Kaunitz, damahligen Pro-
tectors der Akademie der bildenden Künsth, diegekmgene große marmorne
StatuedesMuciusScävola für den kais.GartenzU Schön bru'nn
und übernahm bald darauf einen vottheilhaften Antrag des Bischofs von
Fünfkirchen, um für die dortige Cathedralkirche zwey große Seiten-
altäre zu verfertigen, welche Arbeit er, seinem bereits erlangten Kunst-
berufe vollkommen entsprechend vollendete. Seit geraumer Zeit hatte sich
F. vorgenommen die Früchte seiner langjährigen Studien in einer ana«
tomischen Figur darzustellen^ als ihm sein Freund und Lehrer, der rühm-
lich bekannte Prof. der Anatomie I. Bar th , die erwünschte Gelegenheit
an die Hand gab; dieser hatte nähmlich den Leichnam eines plötzlich ver-
storbenen jungen Mannes von besondirs schönem Körperbau erhalten,
nach welchem F. in kurzer Zeit die erste anatomische Figur in Halblebens«
große zu Stande brachte, die mit vielem Beyfall aufgenommen wurde.
Das Skelett jenes Leichnams crpirteermit bewundernswürdiger Genauig-
teil in Büchsbaumholz. Seine großen Verdienste anerkennend, ernannte
ihn nun Kaiser I osevh I I . zum akademischen Professor der Anatomie
und Nathe. In diesem ehrenvollen Wirkungskreise verdoppelte er seine
Bemühungen und nach Verlauf von 7 Monathen schon war die be-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Band 2
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe E-H
- Band
- 2
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 696
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie