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Franz 5, Raiser von Oesterreich lc. 179
sich auch nach den Vorschriften des Ceremoniels zu benehmen, gewöhn-
lich aber erschien er, das Haupt der erhabenen Familie eines der glän»
zendsten Hofe Europa's, schlicht und einfach, jedoch Ehrfurcht gebiethend
durch sein ehrwürdiges Aussehen und die Würde seiner Gesichtszüge, im-
mer den Anstand eines großen Monarchen mit der herzlichen Milde eines
Familienvaters vereinend. Ohne jene Ziererey, welche gewöhnlich fürst-
liche Herablassung zu begleiten pflegt, mischte er sich, wo es die Gele»
genheit begünstigte, gern unter seine Unterthanen, und gesiel sich, bey
Promenaden in der Reihe von Spazierfahrenden zu folgen, wie es die
Verordnungen der Behörden seiner Hauptstadt Jedem zur Pflicht machen.
—> Die deutsche Sprache liebte er vor allen andern, obschon er auch in
den verschiedenen Landessprachen seiner Provinzen, so wie in mehreren
fremden bewandert war; er sprach sie mit Vorliebe in dem eigenen Dia-
lect seiner Hauptstadt und erlangte dadurch, wie überhaupt durch sein
leutseliges Betragen jene Volkstümlichkeit, welche ihn mit dem herz-
lichen Nahmen Vater Franz so treffend und wahr, bezeichnete. —
Wenn man die lange Regierungsperiode dieses Monarchen mit eini-
ger Aufmerksamkeit durchgeht, so erstaunt man, welche Sorgfalt er
selbst in den bewegtesten Zeiten der weisesten Gesetzgebung gewidmet
hat; schon 1792 wurde das Grundbuchpatent für Oberösterreich, 1794
aber das treffliche Landtafelpatent für Böhmen kundgegeben. L796—97
erschienen in dem damahls erworbenen Westgalizien das Strafgesetz-
buch, die Gerichtsordnung, das bürgerliche Gesetzbuch und die Wechsel«
ordnung, so wie noch nebst andern wohlthätigen Einrichtungen die Auf-
hebung der daselbst bis dahin noch bestandenen Leibeigenschaft vorgenom-
men wurde. 1803 wurde das treffliche neue allgemeine Strafgesetzbuch
üi allen deutschen, polnischen, böhmischen und italienischen Ländern ein-
geführt, und 1811 das ruhmvolle Werk eines allg. bürgert. Gesetzbuches
verkündigt. Die Gesetze und Verordnungen, welche bis auf die neueste
Zeit erschienen, liefernden Beweis der unausgesetzten väterlichen Vor-
sorge des Kaisers für die Befestigung der Grundlage seiner Staaten, und
zeugen auf die unwidersprechlichste Weise von der Milde, Weisheit, Fe-
stigkeit und Gerechtigkeit des Monarchen, dessen Wahlspruch: «lustitia
rsznaruln lundalnenturn sein unverrücktes Ziel von dem Tage seiner
Thronbesteigung war und blieb. Darum genoß aber auch Osterreich, wäh-
rend der letzten sturmbewegten Zeit, welche die meisten andern Reiche
mehr oder weniger berührte, deri festesten Ruhe, eine nothwendige und
unbestreitbare Folge seiner weisen Einrichtungen und der wechselseitigen
Liebe zwischen.Herrscher und Unterthanen, die sich zu jeder Zeit, beson-
bers aber in der gefährlichen Krankheit des Kaisers 1826 so rührend
und innig aussprach. Zu beschränkt wäre hier der Raum, alle unter
seiner glorrreichen Regierung hervorgegangenen Verbesserungen, An-
stalten und Gebäude anzuführen; einige der Letztern, z. B. das neue
Burgthor, Joseph's I I . Denkmahl, das polytechnische Institut, die
neuen Brücken, Thore, Straßen :c. in allen Theilen der Monarchie
stehen überdieß als sprechende Dmkzeichen für die Nachwelt da. Als im
Sept. 1831 die Cholera auch in Osterreich und in Wien eingedrungen
war, wurde nicht nur ihrem Wüthen durch die zweckmäßigsten Vorkeh«
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Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe E-H, Band 2
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe E-H
- Band
- 2
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 696
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie