Seite - 90 - in Österreichische National-Enzyklopädie - Buchstabe I-M, Band 3
Bild der Seite - 90 -
Text der Seite - 90 -
90 Joseph I I . , römisch-deutscher Raiser.
welche ihr Dankbarkeit gegen ihre Retter eingaben, im Auge, und
machten sie jeder, ihrer Constitution nahe tretenden Neuerung abge-
neigt. — Den 4. Oct. 1732 kam der russische Thronerbe Pau l mit
dem Herzoge F e r d i n a n d und der Prinzessinn El isabeth von
Würtemberg in W i e n an, welch' letztere, deren Liebenswürdig-
keit die Herzen der Wiener unwiderstehlich an sich zog, zur Braut des
damahligen Erbgroßherzogs von Toscana (nachmahligen Kaisers) Franz,
bestimmt, am Stephanstage in derHofburgcapelle feyerlich das katholi-
sche Glaubensbekenntnis; ablegte, und die in der Hofburg für sie berei-
teten Zimmer bezog. — I. I I . erkannte das hohe Interesse des Handels
für seine Staaten, für welchen auch schon Car l V I . und Maria
Theresia die weisesten und zweckmäßigsten Verfügungen getroffen
hatten, er hob den Seehandel auf dem adriatischen Meere, gab mehreren
belgischen Städten bedeutende Handelsvorrechte und erklärte Ost ende
zu einem Freyhafen. Selbst auf die Stiftung von Colonien in Ostin-
dien war sein Sinn gerichtet, so sehr er auch durch alle diese Anstalten
die Handelseifersucht Englands und der vereinigten Niederlande erregte.
Zu sehr auf die Dauer des großen Bundes mit Frankreich vertrauend,
ließ er sowohl die Gränzpäffe in Tyrol, als auch die niederländischen
Festungen schleifen, mit welcher Schleifung der Barrieren - Tractat und
das, seit dem spanischen Erbfolgekriege hergebrachte Besatzuugsrecht der
Generalstaaten in denselben von selbst hinwegsiel, welche nach einigen
Einwendungen ihre Truppen aus den offenen Plätzen zogen. Mittler-
weile gingen die Reformen im Innern der osterr. Monarchie fort. Die
Schwarzspanier vor dem Schottenthore in W ien wurden' mit den
Schotten, die Chorherren bey St . Dorothea mit Kloster neu bürg
vereinigt. Die Nonnenkloster zur Himmelspforte, zu S t . Iacob und
zuSt. Laurenz wurden aufgehoben. Die Theatiner auf der hohen Brü-
cke, die Philipp-Nerianer im Lazenhofe verschwanden gleichfalls. Die
der Erlösung gefangener Christensclaven mit seltener Aufopferung
sich widmenden Trinitarier (Weisispanier) in der Alsergasse schienen bey
den neuesten Verhaltnissen mit der Pforte und den Barbaresken eben-
falls überflüssig und wurden aufgehoben. Ihr Kloster bezogen die Mi-
noriten, deren Gebäude in der Stadt hinwieder die niederösterr. Regie-
rung einnahm. Die meisten Hauscapellen wurden entweiht uud geschlos-
sen. Den 2l). April 1733 begann eine neue zweckmäßige Pfarreneinthei?
lung in der Stadt und den Vorstädten. Im nähmlichen Jahre wurde
an allen höheren Unterrichtsanstalten der gesammten Monarchie die
deutsche Sprache ausschließend als Sprache des Vortrags eingeführt.
Auch erfolgte das wohlthätige, anfangs iedoch viel Aufsehen erregende
Verboth des Wetterläutens, welches oft für die Läutenden von trauri-
gen Folgen gewesen war. Den I.Nov. dess. I. hörte die. Tranksteuer,
die in Theresiens letzten Tagen viel Unzufriedenheit erregt hatte,
bis auf jene für das Bier, auf, auch kehrten die, vor Einführung der
Tranksteuer bestandenen Abgaben wieder, mit Ausnahme jedoch der gan-
zen Schuldensteuer und des Stadtsperr-Geldes. Dasselbe Jahr erfolgte
eine gänzliche Umstaltung der bisherigen Gerichtsstände und der Jahr-
hunderte alten Verfassung des Wiener Stadtmagistrates. Die Gerichts-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Band 3
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe I-M
- Band
- 3
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 768
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie