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96 Joseph (Ant. Joh.) Erzherzog, Palatin.
er Stiefeln und Sporen, eine Frisur, zwey ungekünstelte Seltensocken
und ein kurz abgeschnittenes Toupet. Die Perücke, die er seit 1783
trug, um rheumatischen Kovfübeln zu steuern, benahm ihm nicht wenig
von der ihm eigenen Grazie. — Seine Stimme war hell und durch«
dringend, er sprach meist hastig und laut, und wenn er sich ereiferte,
was nicht selten geschah, mit starrem glühenden Auge und hercmfgezo.
gener Oberlippe, so daß man die Zähne sah. Ausier der Musik und der
Schaubühne waren nur Reisen Erholung und Vergnügen für ihn. Je,
den Morgen ging, ritt oder fuhr er einige Stunden spazieren, Abends
besuchte er das Theater oder den erwähnten Damenzirkel. Die Reiger,
haize und Jagd trieb er bis in die letzten Jahre mit Leidenschaft; zwey
Mahl kam er in die augenscheinlichste Gefahr, von verfolgten Hirschen
gespießt zu werden, die sich gegen ihn und sein Pferd setzten. Bis in
das Jahr seines Todes schlief er bloß auf Strohbetten, wo man ihn nur
mit Mühe dazu brachte, sich einer Matratze zu bedienen. Um 5 Uhr im
Sommer, vor 6 Uhr im Winter stand er auf, zwischen 11 und 12 Uhr
ging er zu Bette, sein Tag verstoß unter Arbeit ohne Unterlaß, die
Tafel währte kaum eine Stunde. — So lebte I. einfach, anspruchlos,
Garden/ Wachen und äußern Prunk entfernte er, so viel als mit seiner
hohen Stellung vertraglich war. Kniebeugungen verboth er, als welche
nur vor Gott ziemten. Er bedürfte keiner umhüllenden und verhüllenden
Rauchwolke. Keine Vergleichung mit den größten Männern vor seiner
Zeit brauchte I. zu scheuen, indessen braucht I.'s Geschichtschreiber (nach
Joh. v. Mül ler 's gewichtigen Worten) Niemanden gegen ihn her-
unterzusetzen. Niemanden gegen ihn zu beneiden —nicht Cäsar war
er, nicht Alexander, nicht Tra jan und nicht Marc-Aure l , ,r
war Österreichs Joseph, an dem die Natur zeigen wollte, daß solche
Männer hervorzubringen sie jetzt nicht minder gewaltig ist, als je im
hohen Alterthume. Selbst darin gilt von I . , was derselbe große Mann
von dem großen Friedrich gesagt hat: Er war so groß, daß
man durchaus frey von ihm reden kann.
Joseph (Ant.Joh.,) kais. Prinz und Erzherzog von Österreich, kön.
Prinz von Ungarn und Böhmen; Ritter des goldenen Vließes, Groß'
kreuz des kön. ungar. St. Stephan-Ordens, Inhaber des goldenen Civil»
Ehrenkreuzes und Großkreuz des kais. brafil. Ordens vom südlichen Kreuze,
Palatin, königl. Statthalter und General - Capitan des Königreichs
Ungarn, Comes et Iuäex Iaxvgum et Cumanorum, k. k. General,
Feldmavschall, Inhaber des Husaren-Regim. Nr. 2 und des Palatinal«
Husaren-Regim. Nr. 12, oberster und immerwährender Obergespan der
vereinigten Gespanschaften Pesth, Pilis und Soltb, Präsident der kön.
ungar. Statthalterep und der Septemviral - Gerichtstafel :c. ; ist
geboren zu Florenz den 9. März 1776, sechster Sohn des Kaisers
Leopold I I . (damahls Großherzog von Toscana), mit Mar ia Lu-
dovica, gebornen Infantinn von Spanien. Seine äußerst sorgfäl-
tige Erziehung fand unter den Augen seiner erhabenen Altern Statt.
Mit großer Vorliebe studirte der Prinz die militärischen und divlomatit
schen Wissenschaften, in welchen Fächern er schon vielmahls erfreulicbe
Proben seiner erlangten Kenntnisse ablegte. Nach dem Tode drs l
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Band 3
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe I-M
- Band
- 3
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 768
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie