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Menschlichkeit entschwand aber nur allzubald. Ottokar's Nachfolger
athmeten nicht denselben Geist der Duldung, traten nicht in die Fußsta-
pfen ihres großen Ahns. Unter König Johann 111., Carl 1.,
Wenzel IV. , Ladislaw I., Georg von Podiebrad, Wladis-
law I I . , Ferdinandi . waren sie immer der Spielball menschenfeind-
licher Fanatiker, wurden geplündert und verbannt, zu Tausenden ge-
schlachtet und zur Abwechslung verbrannt; Gesetze, die das Zeitalter
scharfer, als die armen Unglücklichen brandmarkten, häuften sich, sie im-
mer mehr von allen Menschenrechten auszuschließen, einzuengen, mit
Schmach zu bedecken und zu entnerven. Zwar bestätigte 1356 Kaiser
Carl IV. mit einer goldenen Bulle die in früheren Zeiten von einigen
Päpsten und Ot rokar i l . zu Gunsten der I. in Böhmen erlassenen
Verordnungen, doch nur theilweise und ohne bedeutenden Erfolg, denn
1336, 1337, 1399, 1422, 1443 und 1503 erneuerten sich, vorzüglich
in Prag , die Schreckensscenen. (Dobner, Monum. nist. Roh.
S. 63, 63 und 75; Arnsen, Coilect. svnod.) Mehrere von dem
fleißigen Pubitschka in seiner Geschichte Böhmens benutzte Chronisten
erzählen diese Gräuelthaten, selbst von edlem Abscheu durchglüht. Auf
dem Landtage 1501 erhielten die I. zwar einen offenen Versicherungs-
brief, daß sie zu ewigen Zeiten in Böhmen geduldet, und gesetzlich nur
die Thäter eines Verbrechens, nie die Gemeinde bestraft werden solle,
auch wurde dieser Beschluß der Stände von den Königen.Wladislaw
und Ferdinand I. mit Hinzufügung noch mehrerer Begünstigungen
bestätiget, allein dennoch wurden sie auf dem 1541 abgehaltenen Land-
tage, angeblich wegen Einverständnisses mit den Türken, abermahls des
Landes verwiesen, 1544 unter schmachvollen Bedingungen wieder auf-
genommen, 1561 wieder verwiesen, gegen Entrichtung drückender Steuern
zu Ende des nähmlichen Jahres neuerdings aufgenommen, und so blie-
ben sie fortwährend ein Spielball der Willkühr und gemeinsten Motive,
und nur sparsam durchblitzte ein Sonnenstrahl königlicher Huld die Nacht
ihres dunklen Schicksals. Von Max imi l ian I I . erhielten sie 1567,
von Rudolph I I . 1577 und vorzüglich von Ferdinand I I . 1627
besondere Gnadenbriefe, kraft deren sie Freyheit des Handels, Gleichheit
der Mauth- und Zollgebühren, die Erlaubniß zur Betreibung von Hand-
werken und ein, wenn auch beschränktes Possessionsrecht bekamen. (Wein-
garten, Fascic. div. juris. S. 233.) Mildere Behandlung verfehlte
auch nie wohlthätig zu reagiren. Als man ihnen, obschon schwach und
nur in wenigen Zweigen, an bürgerlichen Rechten Theil gab, strebten
sie die Bürgerpflichten treu zu erfüllen. Einen kräftigen Beweis hiezu
liefert die muth- und ruhmvolle Weise, mit der sie bey der Belagerung
Prags durch die Schweden (1646) sich in der Vertheidigung der Haupt-
stadt gleich allen übrigen Bewohnern auszeichneten. Auch FerdinandII .
blieb ihnen gewogen, bestätigte 1643 nicht nur die von seinen Vorfah-
ren ihnen verliehenen Rechte, sondern stellte noch manchen Mißbrauch ab,
und dehnte ihre Erwerbszweige aus. An Bekehrungsanstalten, an Stif-
tungen zu Gunsten junger Neophyten fehlte es in diesem Zeitpuncte nicht.
Sogar der berühmte Wal lenste in , damahls Statthalter in Prag,
gründete ein Institut für Kinder, die vom Mosaismus zum Christen-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Band 3
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe I-M
- Band
- 3
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 768
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie