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kommenheit, so ist doch die Zahl der in Galizien feldbauenden Israeliten
nicht unbedeutend. „Inder Bukowina um Suczawa und Szereth,"
sagt ein leidenschaftlicher Gegner der I. (Rohrer)/ „finden sich ganze
Iudengemeinden/ welche sich der Feldwirthschaft ergeben und selbst ihre
Acker anbauen." Nach ämtlichen Tabellen von 1327 gab es 724 jüdische
Ackerfamilien. Banquiers, Großhändler, Kleinhändler, Schänker,
Fuhrleute, nebst Hülfspersonen, Handlungsdiener, Factoren (die in
Polen überhaupt stecs eigenthümlich und zahlreich waren), werden auf
beyläufig 16,000 bestimmt. In Berücksichtigung der großen Zahl der jü-
dischen Kaufleute sind bey dem galizischen Mercantil- und Wechselgerichte
zu Lemberg von den 2 unbesoldeten Beysitzern mit entscheidender
Stimme Einer und eben so Einer von ihren 2 Substitulen jüdischer
Religion, für das Wechselgericht in Brody 2 wirkliche jüdische Bey-
sitzer und 2 Substituten vorgeschrieben, auch können sie Krei^physici und
Stadtarzte werden, im Militär sind sie den allgemeinen Militarvorschvif«
ten unterworfen, können daher Unterofficiers- und Officiersstellen erhallen.
(Hofdecret vom 30. Dec. 1790.) Seit langer Zeit, wie die Acten des
1Ü. Jahrhunderts beweisen, befindet sich in Polen dle jüdische Secte der
Karai ten, die nicht, wie die übrigen I . , aus Deutschland, sondern
durch die Einfalle der Tataren aus der europäischen Türkey da ankamen.
Die ersten Privilegien, die sie erhielten, sind von Si.egmund i.
(Bathory) Withold und dem Iagellonen, Casimir; „es sind,"
sagt Graf Thaddaus Csaky, „sehr friedliche, nützliche Unterthanen,
und durch Acten ist erwiesen, daß seit 400 Jahren kein Karaite crimina-
lisch behandelt wurde." — Die Karaiten, die schon in der frühesten Zeit
entstanden, da sie, wiewohl weder im alten, noch neuen Testamente
ihrer erwähnt wird/ doch gewisser Maßen den Stamm der echten mosai«
schen Religion bilden/ heißen Karaiten (Schriftglaubige)/ anmal«
mudische I. und auch I'extuides scriptuarii, weil sie bloß bey dem
Texte der heil. Schrift bleibe«/ keineswegs aber auch, wie die Pharisäer
oder Rabbiniten eine mündliche Tradition annehmen / folglich weder
Misna/ noch Talmud oderCommentatoren anerkennen/ und eben dadurch,
weif sie weniger Hemmketten durch hohles, dem wahren Mosaismus
nicht eigenthümliches Ceremonienwesen haben, auch nützlichere Staacs-
einwohner sind. Sehr richtig sagt Bel lermann: „Wenn es auch in
Deutschland keine Karaiten-Synagogen oder Gemeinden gibt, so hat sich
doch ihre liberale Ansicht des Ortlichen, Zeitlichen und Umständen Ge-
mäßen ihrer Religion unter den einzelnen I. sehr verbreitet." Ja es
sind wohl alle jetzigen I^, welche sich von den Speisegeseben, von den
lewitischen Satzungen und von dem (schädlichen) Talmud practisch losge-
sagt haben, der Sache nach gewisser Mafien für Karaiten zu achten. —
Da die Karaiten allen rabbinitischen Sauerteig verdammen, so weichen
sie auch in ihrer Liturgie von der gewöhnlichen ab. Ihre Gebethe sind
sehr kurz und einfach. Sehr streng feyern sie den Sabbath. Ihr Radbi
heißt, wie bey den portugiesischen I. Chacham (Weiser), ordnet nach der
heil. Schrift dieFeyertage an, bethet und segnet, verrichtet Trauungen
und besucht Kranke und Sterbende, kurz ist ein wahrer Seelsorger semer
Gemeinde; Functionen, zu denen ein polnischer oder deutscher Z
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Band 3
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe I-M
- Band
- 3
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 768
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie