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J u d e n . Il5
den mächtigen Zeitgeist geweckt, bedeutend zu. —> E. Niederö'ster-
reich. Über die factische Gewißheit der Ansäßigkeit der I. in österreich
gibt Hormayr in. seiner Geschichte Wiens folgende Aufklärung: Seit
den Carolingern sind I. in Osterreich urkundlich erweislich. In der Zoll-,
Schifffahrts- und Stapelordnung Ludwig's des Kindes von 906
für Slaven und Bayern auf der Donau, Traun und Enns heifit es:
Jüdische Kaufleute, welche auf die Messe der Mahrer ziehen, müssen
nicht nur von Waaren, sondern auch von Leibeigenen zahlen. Durch die
Fridericianische Bulle von 1156 erhielten die Fürsten Österreichs das Recht
I. zu halten. Schon 1204 hatten die I. eine Synagoge zu Wien ,
vom heutigen Kienmarkt gegen den Salzgries hinab Häuser und Kau-
platze, den Beginn ihrer nachmahligen Iudenstadt, vom heutigen Iuden-
gäßchen bis gegen den grosien Thurm des Passauerhofes und hinter derMa-
riastiege fort in's Elend zum Iudenrhurme, heute im unteren Arsenal. —
Aber auch hier wiederholt sich, wie in allen Landern, die blutige Geschichte
ihrer Verfolgungen und den gräßlichen Scenen ihrer Ermordung, Ver-
brennung oder Verbannung aus überall gleichem Grunde. — So wur-
den in der großen Kirchenversammlung zu Wien 1267 dem finstern Zeit«
geiste conforme Verordnungen gegen sie erlassen; im Anfange der Regie-
rung Albrecht's I I I . undLeo pold's I I I . (1370) drohte ihnen ein ent-
setzliches Schicksal und nur der Geistlichkeit verdankten sie die Rettung ihres
Lebens; unter Herzog Albrecht V. (als Kaiser II.) (1420), Mathias
Corvinus, Mar im i l i an l. litten sie mancherley Drangsale und
1663 brach eine Verfolgung aus, die 1670 mit Verbannung endigte.
1677 wurden Samuel Oppenheim er und Samson Werthei -
mer als Hoffactoren angenommen, 1697 bildeten sie bereits wieder eine
kleine Gemeinde. 1753 erfolgte für die in Schutz genommenen Stamm-
familien eine eigene Ordnung, welche, so wie die Erläuterungen und
Zusätze vom Jahre 1755 und 1765 auf Grundsätzen der Menschlichkeit
gegründet waren. Endlich erschien am 2. Jan. 1732 Kaiser Ioseph's I I .
berühmtes Toleranz - Edict, ein nach den damahligen Begriffen von
Humanität ungeheurer Fortschritt, doch war es nur Vorbereitung. Die
Verordnungen vom 13. Iuly 1783 und 20. Febr. 1734 strebten nur
dahin, die früheren, lahmenden Gesetze auf- und den in jeder Hinsicht
gesunkenen Zustand der I. emporzuheben. Der Same des Guten trug
reichliche Frucht, je lockerer ihre Fesseln wurden, desto höher stieg ihre
Gesittung; wozu ihnen die Bahnen geöffnet waren, bewährten sie auch
ihren geistigen und intellectuellen Beruf. Aus ihrer Mitte gingen Kauf-
leute ersten Ranges, (vom Staate zur Belohnung ihrn Thätigkeit in
den Adelstand erhoben, wie die Freyherren Arnstein und Eskeles,
die Ritter Liebenberg, Neuwa l l , Löwenthal , die Edlen von
Wertheimstein, Lämmel u. m. A.,) Gelehrte und Künstler hervor;
sie haben Fabriken, Manufacturen, ein wohleingerichtetes BethhauS
mit zeitgemäßer Liturgie, wo Reden in deutscher Sprache gehalten wer-
den, auch eine Religionsschule, aller Separatismus verjährt. Vor-
urtheile und Mißbrauche, durch Druck entstanden, durch Rabbinismus
genährt, sind verschwunden, und bey ihrer immer höhet steigenden Reife
und Mündigkeit ist zu hoffen, daß de^r von dem gekrönten Menschenfreunde
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe I-M, Band 3
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe I-M
- Band
- 3
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 768
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie