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fortschreitender Cultur auch vielleicht der türkische Staat sich bestimmt
fühlen dürfte, durch innere Anstalten und in dem Contumazsysteme den
Nachbarn die Hände biethend, alle Kräfte anzuwenden, um dieses
furchtbare Übel wenigstens in Europa gänzlich auszurotten. Folgendes
ist eine gedrängte chronologische Übersicht der seit einem Jahrtau-
send in, Osterreich eingedrungenen Pest mit einer ausführlichen
Darstellung der 1679 , vorzüglich in Wien furchtbaren großen
Pest. — 833 entstand eine große Pest, woran besonders in Böhmen und
Mähren viele Menschen starben und die man deraußerordentlichenHitze
des Sommers zuschrieb. 1006 Pest durch ganz Deutschland, von Hun-
gersnoth begleitet, welche durch 3 Jahre währte. 1066 Pest in Böh-
men. 1133 ebenfalls daselbst. 1312 und 1313 in ganz Deutschland
große Pest und Hungersnoth; erstere schrieb man den großen Statt ge-
habten Überschwemmungen zu; 1337 ebenfalls verheerende Pest in
Deutschland, 1343 — 49 furchtbare Pest in Deutschland und Osterreich,
der schwarze Tod genannt, vielleicht eher eine Art Cholera. Zu
W i e n starben an jedem Tage über 100 , ja zur Zeit, wo die
Krankheit am meisten wüthete, an und über 1000 Menschen. Der Be-
gräbnißplatz war in Wien auf dem sogenannten St. Colomans-
Gottesacker vor dem Kärnthnerthore, wo noch heut zu Tage eine siei-
nerne Säule zu sehen ist. Der blinde Wahn schrieb diese Seuche allent-
halben den Juden zu, welche die Brunnen vergiftet haben sollten und
viele Tausend derselben wurden auf die grausamste Art hingerichtet. —
1331 kam die Pest neuerdings nach Osterreich und wüthete besonders in
Wien so sehr, daß bey S t . Steph anallein 15,000 Menschen begraben
wurden, eine Maßregel, welche freylich die Ausbreitung der Seuche
noch mehrte, vom 24. Iuny bis 3. Sept. d. I. sollen in Wien allem
gegen 40,000 Menschen gestorben seyn. 1403 herrschte ebenfalls eine,
jedoch nicht lange anhaltende Pest in Osterreich. 1435 Pest in Osterreich
und Wien , weßwegen die öffentlichen Schulen in Wien durch einige
Monathe gesperrt warin. 1541 herrschte die Pest abermahls in Wiett
und Österreich und den angränzenden Ländern, ohne indessen große Ver-
heerungen anzurichten; — mit Anfang 1679 brach die große Pest in
Wien aus, deren furchtbare Verheerungen ewig denkwürdig in den vater-
ländischen Annalen sind. Sie zeigte sich zuerst in derL eop old stad t, ver-
breitete sich dann in die übrigen Vorstädte und zuletzt auch in der Stadt.
Anfangs hatte man diese Seuche nur als ein Übel betrachtet, welches
durch die Unreinlichkeit Und unregelmäßige Lebensart der ärmeren Volks-
classe entstanden sey und atso ihre Opftr auch nur unter diesen suche/
bald aber breitete sie sich gleich schonungslos über Arm und Reich, Hoch
und Niedrig, und der Zustand des Schreckens und der Verwirrung war
unbeschreiblich. Viele reiche und adelige Familien flüchteten sich auf das
Land, ja in entferntere Provinzen, Kaiser Leopold 3. verließ jedoch
Wien erst mit seiner Familie den 17. August m,d begab sich nach Ma-
ri azel l , von da nach P rag und endlich nach Linz. Indessen wü-
thete die Seuche mit furchtbarer Gewalt in der Stadt, den Vorstädten
und den herumliegenden Gegenden. In ersterer waren kaum 30 Häu-
ser, die nicht Kranke hatten und sehr viele starben gänzlich aus. M'ü
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe N-Sed, Band 4
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe N-Sed
- Band
- 4
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 660
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie