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212 S t o l l.
Wundarzneykunst, erlernte in seiner Heimath Latein, und begab sich
dann nach Rot wei l ins Collegium der Jesuiten, wo ihn zuerst der
berühmte orthodoxe Merz in oenHumanioren unterrichtete. Der Vater
hoffte immer noch, sein Sohn werde einst zur Chirurgie zurückkehren,
allein dieser entschloß sich, den geistlichen Stand zu wählen, und ließ
sich 1761 in den Orden der Gesellschaft Jesu aufnehmen. Nach dreyjah-
rigemNoviziate ging er als Lehrer derHumanioren nach Hal l in Tyrol,
ward später nach Ingolstadt und bald darauf nach Eichstädt vel-
setzt, und als er sich mit seinen Vorgesetzten entzweyte, trat er 1767
aus dem Orden. In S t raß bürg fing er an Arzneykunde zu studiren,
nach einem Jahre wählte er die hohe Schule zu Wien, und den berühm-
ten Ha en zum Lehrer; 1772 erlangte er daselbst dieDoctorwürde. Seine
erste Anstellung fand er als Kreisphysicus in Ungarn, wo er seine Be-
obachtungen über daS ungarische Fieber niederschrieb. Sein großer Eifer,
die Natur treu zu studiren, und die Ungewißheit aus den Resultaten
seiner Kunst zu verdrängen, beschäftigte ihn rastlos, hatte ihn aber bey-
nahe vermocht, die Arzneykunst abermahls zu verlassen. 2 Jahre lang
blieb er in Ungarn; viele Arbeit und schwere Krankheiten hatten seine
Gesundheit geschwächt, er kehrte, dieselbe wieder herzustellen, nach
Wien zurück. Hier fand er seinen Lehrer Haen krank, und nahm
nach dessen Tode 1776 die öffentliche Professur der practischen Arzney-
kunde an. Er glänzte hier als einer der ersten Lehrer Deutschlands durch
Talent und Erfahrung; die Fürsten Kaunitz, Czartor isky,die
Feldmarschalle Hadik und Loudon waren seine Freunde, und er ihr
Arzt. Viel that er während dieser Zeit für das Einimpfen der Blattern,
wozu er jeden Sommer einen eigenen Garten miethete. Außerdem war
St. ein Kenner und Freund der griechischen Sprache. 1733 herrschte in
Wien ein entzündliches rheumatisches Fieber, das die leere Sage zu
einer ansteckenden Krankheit unischuf, und wovon St. selbst befallen
wurde. Seine Genesung war von kurzer Dauer, eingewurzelte Gicht
verursachte ihm am 22. May ein plötzliches und heftiges Fieber, woran
er schon am 23. starb. Wir besitzen von ihm sehr getreue Beobachtun-
gen, die erst nach seinem Tode erschienen, unter dem Titel: Kauoiue-
6enäi, 7 Bde. Wien 1733—94, neue Aufl. eb. 1330; deutsch mit
Zusätzen von G. L. Fabri, 7 Bde. Breslau 1787 — 96. Auszug,
2 Bde. eb. 1794. — ^pkoi-izmi 6e cognogcen^iä et 0111-211^5 ke-
eb. 1737. Er besorgte die Herausgabe von deHaen's
2, eb. 1779 und van Swieten 's con5Ntutione5 ^
Leipzig 1732. Nach seinem Tode erschienen noch von E y e r e l
herausgegeben: I^raeiectiones in 6ivei805 morb«5 ckrunicoZ, Wien
1788. —St. 's am 22. Iuny 1815 verstorbener Sohn Ludwig , pri-
vatisirte zu Wien als Schriftsteller in mittelmaßigen Umständen. Als
Napoleon 1309 wahrend der französischen Occupation Wien's ver-
nahm , daß der Sohn jenes großen Arztes, den er stets bewundert
hatte, daselbst lebe, setzte er ihm eine Pension von 500 Franken aus.
Ludw. Sr. war ein talentvoller Dichter. Sein Taschenbuch: Neoterpe
(Schnecken-Taschenbuch, Wien l809) und seine mit Seckend orf un-
ternommene Zeitschrift: Prometheus (eb. 1kl',3) sind Belege, so auch
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Band 5
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe See-V
- Band
- 5
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 604
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie