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440 lürkenkriege u. Belagerungen Wiens durch dieTürken.
14. Iuly Frühmorgens endlich verbreitete sich die ganze türkische Macht
in unabsehbarer Ausdehnung um Wien herum, und die zweyte türkische
Belagerung begann mit fürchterlicher Wuth, doch mit eben so beharrli-
chem Widerstände. Des Großveziers, welcher sein reiches Gezelt in der
Gegend von St . Ulrich aufgeschlagen hatte, Aufforderung, sich zu
übergeben, wurde mit Trotz aufgenommen, und jeder Angriff auf das
muthigste abgeschlagen. Vom 1.—8. August sprangen ununterbrochen
Minen, und mehrmahls wurde mit verzweifeltem Muthe Sturm ge-
laufen; doch jede Anstrengung des Feindes durch die tapferste Gegen-
wehr der Belagerten vereitelt. In der Folge wurde, der täglich wach-
senden Gefahr wegen, das Innere der Stadt barrikadirt, alle 10
Schritte wurden Abschnitte, Graben und Brustwehren errichtet, die
Kärnthnersiraße, der Kohlmarkt und Graben glichen einem permanenten
Feldlager, das Schlafen wurde den diensthabenden Officieren und Sol-
daten bey Lebensstrafe untersagt. Häufige Ausfälle und Gegenminen'
zerstörten die Arbeiten des Feindes, wie denn durch Letztere allein nach
und nach viele hundert Centner Pulver und Munition erbeutet und viele
Türken getödtet und verschüttet wurden. Den 4. September sprang eine
Hauptmine an der Burgbastey. Die Wirkung dieser Erplosion war
fürchterlich, eine ungeheure Bresche entstand, und mit wüthendem Ge-
schrey begannen die Türken einen der verzweifeltsten Stürme. Jedoch
die äußerste Gefahr fioßte auch den Belagerten fast mehr als menschli-
chen Muth ein, es geschahen Wunder der Tapferkeit, und die Türken,
welche die Bastey bereits erklommen und 2 Roßschweife aufgepflanzt hat-
ten, wurden mit großem Verluste wieder in ikre Verschanzungen zu-
rückgeschlagen. Indessen sprangen in den folgenden Tagen wieder neue
Minen an der Burg- und Löwelbastey; die Belagerer hatten sich bis
unter die Minoritenkirche durchgegraben, und verdoppelten ihre Stürme
und ihr Feuer mit einer Wuth, welcher die Belagerten doch am Ende
hätten erliegen müssen, hatte nicht die durch kühne Kundschafter, vor-
züglich Koltschitzki, erhaltene Botdschaft nahen Entsatzes ihren
Muth gestärkt und aufrecht erhalten. Den 7. September bereits war
das polnische Heer unter dem eigenen Oberbefehl des Königs bey Krems
angekommen, und hatte sich daselbst mit den zu Hülfe geeilten Reichs-
truppen vereinigt. Den 8. hatte der Donau-Übergang ley Tuln
Statt und dann der weitere Marsch gegen Wien. Bereits den 11.Sep-
tember wurde das Kahlengebirge erstiegen, und die Truppen wurden in den
Wäldern aufgestellt. Die Lage der beängstigten Stadt aber war indessen
verzweifelt geworden. Nur die äußerste Anstrengung beyspielloser Ta-
pferkeit hatte bis jetzt noch mit Noth die Trümmer der Burg- und Lö-
welbastey erhalten, und vom Stephansthurme stiegen Raketen über Ra-
keten empor, um dem christlichen Heere die Noth der Stadt und ihre
Sehnsucht nach Befreyung anzudeuten. Unbeschreiblich war daher das
allgemeine Entzücken, als auf einmahl ganze Büsche von Raketen von
der Spitze des Hermannskogels aufprasselten, und 3 heftige Kanonen-
salven erschallten, welche sogleich von der Melkerbastey beantwortet
wurden. Den 10. und 11. bereitete sich das christliche Heer, welches in
Allem aus 85,600 Mann kaiserlicher und Hülfs -Truppen bestand, zur
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Band 5
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe See-V
- Band
- 5
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 604
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie