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426 Tyrol, I. Geschichte.
Vintschgaues und bis an das Etschthal gezogen wurde; in dem nördli-
chen verödeten Landestheile breiteten sich die Bojen, wie sie in der Lan-
dessprache dieser Zeit genannt wurden, aus. Niemand hinderte sie dar-
an, eine Wildniß einzunehmen, in der nur noch Spuren von Denkmä-
lern die vorige Römerwelt verkündeten. Dort aber, wo sich Bojen und
Longobarden an den Ufern des Waldstromes Nossus (Noce im Val di
Non) begegneten, waren Wald- und Viehweiden weit umher ausgedehnt,
und nichts erregte einen Reiz zwischen beyden Völkern, ihre Gränzen
zum Nachtheile des anderen zu überschreiten, wohl aber entstand bald
ein gemeinsameres Interesse, sich enger zu verlinH^n, und so durch ge-
meinschaftliche Macht den Anmaßungen derFranren zu begegnen. Fia-
v ius Au thar , der Longobarden neugewahlter König , der seinen Be-
ruf zur Würde eines Herrschers durch seine Siege über die Franken be-
urkundet hatre, ehelichte des bayerischen Herzogs Gar iba ld Tochter,
Theodol in de; aber bald endete diese Verbindung mit dem Tode des
Königs, der im neuen Kriege mit dem ausirasischen Regenten vergiftet
zu P a v i a starb. — Den stets siegreichen C l> i, l d e b e r t hin-
derte nun nichts mehr, seine Gewalt über Bayerns erbliche Fürsten
weiter auszudehnen, als bisher durch keinen der austrasischen Könige ge-
schab; denn Garibald's Nachfolger, Tassi lo, aus demselben Herr-
schergeschlechte der Agilolfinger, mußte von C h i l d e b e r t die Be-
stätigung der herzoglichen Würde annehmen, und von nun an behaup-
teten die fränkischen Könige Oberhoheitsrechte über Bayern und seine
Fürsten, odschon einige derselben die alte Unabhängigkeit wiederholt,
aber stets vergebens, wieder zu behaupten versuchten. — Am unglück-
lichsten war unrer dem großen Car l der zweyte Tassi lo durch den
gleichen Widerstand geworden, den er dem frankischen Könige, seinem
früher beschworenen Vasalleneide zuwider, leistete. Er war bisher so
glücklich gewesen, seine Herrschaft-über einige neue, Landstriche zu er-
weisern, und die von seinen Nachbarn, den Longobarden abgerissenen
Theile des bayerischen Gebiethes in den Alpen, oder das heutige T.,
wieder mit Bayern zn vereinigen; aber er war es desto weniger bey
dem Versuche, sich der Oberhenschaft zu entziehen, so daß er darüber
für immer Land und Freyheit für sich und sein Geschlecht verlor. — Je-
nes wurde nun, gleich andern fränkischen Landern, in Gaue getheilt,
und von Grafen verwaltet, die der König nach Gefallen ernannte. So
zerfiel T. mlt den übrigen bayerischen Landern in kleine Gebiethe, und
da sich auch das Reich der Longobarden schon 774 Car l unterwarf,
so hatte das südliche Land von T. das nähmliche Schicksal des nörd-
lichen. — Nach dem Erlöschen des Carolingischen Hauses und nach
der Wiedereinsetzung bayerischer Herzoge nabmen diose auch wieder den
größten Theil von T. in Besitz, und unterwarfen sich die Grafen als
Vasallen, welche sich inzwischen während der Unordnungen im Reiche,
und bey der Schwäche seiner Regenten, die ihnen anfangs zur Ver-
waltung anvertrauten Gauen erblich zugeeignet halten. Doch blieben
noch einige mächtige Dynasten übrig, unter welchen die Grafen ron
Dachau undAndechs und andere hohe bayer. Geschlechter, tkeils durch
iyre Familicnrerbinduli^, theils durch ihre weitläufigen Besitzungen in
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Band 5
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe See-V
- Band
- 5
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 604
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie