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474 Ungarischer Reichstag.
vereinigen kann, werden auf den nächstfolgenden Reichstag verschoben
oder auch ganz beseitigt. Sämmtliche Reichsschlüsse werden durch eine
Deputation aus allen Ständen, wobey ein Protonotar der königl. Ta-
fel die Feder führt, kurz abgefaßt, in mehrere Artikel abgetheilt, in der
Versammlung der Stände berichtigt, und dem Konig zur vorläufigen
Genehmigung vorgelegt. Ist diese erfolgt, so werden die Artikel beyder
Magnaten- und der Standetafel vorgelesen, und durch eine Deputa-
tion dem König zur endlichen Bestätigung überreicht, mit der Bitte, daß
er dieselben nach allen ihren Theilen annehmen, mit seiner königl.
Auctoritär und Macht bekräftigen, selbst beobachten, und Jedermann
zu deren Beobachtung anhalten wolle. Dieß verspricht denn auch der
König, in dem von ihm, dem ungarischen Hofkanzler und einem Refe-
rendare eigenhändig unterfertigten, und mit dem königl. Siegel verse-
henen Bestatigungs-Diplome, welches die sämmtlichen Reichstagsarti-
kel wörtlich enthält, und den versammelten Standen mit gleicher Feyer-
lichkeit, wie die königlichen Propositionen, übergeben wird, mit der
Erinnerung, daß die in demselben enthaltenen Reichstagsartikel, als
Reichsgesetze, im ganzen Königreiche gelten, und von Jedermann be-
obachtet werden sollen. Sämmtliche zwischen König und Ständen auf
einem Reichstage beglichenen Reichstagsartikel werden bey dessen Been-
digung in eine Urkunde gebracht, welche Reichsdecret (v?cst?tum ke-
ßni) genannt wird. Die Vorrede des königlichen Bestärigungs-Diploms
wird den Reichstagsar:ikeln im Reichkdecrete vorgesetzt; der Beschluß
davon, nebst dem Nahmen der jedesmahligen Erzbischöfe, Bischöfe und
Reichsbarone denselben am Ende beygefügt. Das in dieser Form, und
in lateinischer Sprache ausgefertigte Reichsdecret wird so fort von dem
königl. ungar. Statthaltereyrathe im Nahmen des Königs, an sämmt-
liche Gespanschaften, Districte und königliche freye Städte geschickt, da-
selbst pllblitirt, und bey allen Stellen und in allen Gerichtshöfen in
Ausübung gebracht. — Gegenstände des Reichstages, oder die Reichs-
tagssachen («bjecta lliaewlia) sind überhaupt alle jene Reichsgeschäfte,
die ordentlicher Weise nur auf einer Reichsversammlung mit gemein-
schaftlicher Einwilligung des Königs und der Reichsstande abgethan wer-
den können. Hierher gehören: Die Krönung des neu eintretenden Kö-
nigs, die Palatins- und Kronhüterwahl, die Immatriculirung des ei-
nem Ausländer vom Könige ertheilten Indigenats, die Verleihung des
Reichsstandrechtes an pririlegirte Gemeinen, vornehmlich aber die Erthci-
lung, Auslegung und Aufhebung der Gesetze, und das Contributions-
und Subsidienwesen. Die besondern Gegenstände der einzelnen Reichs-
tage aber werden durch die königlichen Anträge (propozitiones reßiae)
und die ständischen ^Forderungen und Beschwerden (poglulaw et ßrava-
inina) bestimmt. Übrigens wurde man sehr irren, wenn man aNe jene
Gegenstande, worüber je auf einer Reichsversammlung Berathschlag««-
gen angestellt werden, für Reichsragssachen halten würde. Dieß würde
zu viel beweisen, folglich nichtS beweisen. So sind z. B. über viele Kir-
chenangelegcnheiten Gesetze vorbanden, die auf dem Reichstage gemacht
worden sind. Hieraus folgt aber noch nicht, daß Kirchcnangelegcnhcitcn
Reichstagssachen seyen, deren Besorgung von gemeinschaftlicher Einwil-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Band 5
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe See-V
- Band
- 5
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 604
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie