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Ungarischer Reichstag. 475
l iga des Königs und der Stände abhinge; denn obgleich der Köniq
von Ungarn seit 1405 in Ausübung der gesetzgebenden Macht, an die
Einwilligung der Stände gebunden ist; so erstreckt sich diese Beschrän-
kung doch nichr auf diejenigen Gesetze, welche der König in Kirchenan-
gelegenheiten erqehen laßt; solche Gesetze gibt der König kraft des ihm
allein zukommenden kö'nigl. Patronatsrechtes, in dessen Ausübung er
unbeschränkt ist. — Der Regel nach soll der Reichstag nicht über 2 Mo-
„athe dauern; doch hat der König das Recht, denselben nach Beschaffen-
heit der Umstände zu verlängern. — Schon 30 Tage vor dem bestimm-
ten Erscheinungstermine, so wie durch die ganze Dauer des Reichsta-
ges, hören sämmtliche Gerichte, mit Ausnahme der städtischen, auf,
und einige wenige Rechtsfälle bey den Comitaten abgerechnet, die nicht
wohl einen Aufschub leiden, wird bis zur Rückkehr derAbgeordneten kein
Proceß entschieden. — Die/Amtsverrichtungen des Reichs-Erzmarschalls
auf dem Reichstage bestehen darin, daß er für den königl. Stall sorge,
Quartier für die berufenen Srände bestelle, Anstalten in Ansehung hin«
länglicher und wohlfeiler Lebensmittel treffe, kurz, für Aufrechthal-
tung guter Polizey wache. Gewöhn'ich geht ihm ein Cavallerie-Regi-
ment dabey an die Hand. Der Reichs-Erzthürhüter ist Handhaber der Ruhe
und Ordnung in den Schungen der Stände. Zu diesem Ende ist er be-
fugt die nöthige Wache zu bestellen, und bey entstandenen Streitigkei-
ten Stillschweigen zu gebiethen. Auch sammelt er, wenn es nöthig ist,
d.i./ so oit die Stände nicht eins werden können, in den Versamm-
llingssäle'n die Stimmen ein, damit auf solche Art wenigstens durch die
Meinung des klügern Theiles die Eintracht wieder hergestellt werde. Sein
Gehülfe ist der Vice-Hlaßizter ^aniwrum. — Die Königreiche Croa-
tien und Slavonien sind zwar dem ungarischen Reiche einverleibte
Provinzen (?ane5 annexae zubieclae); allein sie stehen unter einem
besondern Ban (Lanus) (s. d.), haben eigenthümliche Rechte, Privile-
gien, Statuten und Gewohnheiten, und senden eigene Landbothen auf
drn ungarischen Reichstag. Übrigens sind ihre Einwohner den übrigen
Einwohnern so vollkommen gleich gesetzt, daß sie mit diesen vermischt,
alle ungarischenBedienstungen und Ämter bekleiden. — Dle allgemeinen
Rechte der ungar. Stande sind: 1) Das Recht der Reichsstandschaft,
d. i. das Sitz- und Stimmrecht auf allgemeinen Reichsversammlungen,
zur Besorgung solcher Reichsgeschäfte, wobey der König an die Concur-
renz der Stände gebunden ist. 2) Das Recht der persönlichen Sicherheit,
kraft dessen derEdelmann (er mag geistlichen oder weltlichenStandeS, Fürst,
Graf, Freyherr, oder vom niedern Adel seyn), wenngleich rechtmäßige
Anzeigen wider ihn vorhanden sind, die sonst beyVerbrechen zurVerhaf-
tung des beschuldigten Thäters für hinlänglich erachtet würden, weder
in Verhaft genommen, noch in dem Besitze seiner Güter gestört wer-
den darf, ohne vorher von seinem gesetzmäßigen adeligen Richter vor
Gerichr geladen, und seines Verbrechens überwiesen worden zu seyn.
Nur der Hochverr nber, der auf der That ertappte Dieb, Straßenräu-
ber, Mörder, Mordbrenner und Ehebrecher, dann der Deserteur und
ungetreue herrschaftliche Rechnungsführer sind von kieser adeligen Prä-
rogative ausgeschlossen. Bis 1802 mußte eine ganze Stadt ihren ein«
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Band 5
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe See-V
- Band
- 5
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 604
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie