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518 Venedig, I. Geschickte.
seine Stelle Ludovico Man in i , ein Patricier aus einer ganz neuen
Familie gewählt. Er war der letzte Doge; in jener Zeitperiode erreichte
der Freystaat sein politisches Ellde. Die französische Revolution, welche
der venetianische Gesandte in Paris, A n tonio Ca pello, schon 1733
voraus verkündigte, wurde in ihrer Wichtigkeit in V. nicht anerkannt.
Man behandelte sie dort als einen Gegenstand der Polizey, verdoppelte
die Sicherheitsmaßregeln, und üoercrug der Staateinquisition die Sor-
ge, die Republik V. vor Ansteckung zu bewahren. Diese Behörde wach-
te sorgsam über alle Fremden, welche sich dem Gebiethe des Frey-
üaats nur näherten,, und hielt strenge Censur über alle Bücher, die
in V. ankamen. 179 l. kam der Graf von Artois (nachmahls Konig
Carl X.) und kurz nach ihm die Königinn von Neapel nach V. Sie
wurden prachtooll empfangen, und der Senat bemühte sich durch die
Ehrenbezeigungen/ welche er Ersterem erwies, seine Theilnahme für
Ludwig XVI. an den Tag zu legen. Um dieseZeit war ganzEuropa
in Bewegung/ aber auch dieß konnte V. nicht aus seinem lethargischen
Schlummer aufwecken; es wollte neutral bleiben, aber es verweigerte '
dem Gesandten der französischen Republik den Zutritt, und willigte
m:r ein mit dem Legationssecretär zu verhandeln; man gestattete den
österreichischen Truppen den Durchmarsch durch das Gebieth des Frey-
staars, und unrerwarf reisende Franzosen verschiedenen Formalitaten,
ja man ermähnte die Republik Genua, den Durchmarsch der Franzo-
sen durch ihr Land zu verhindern und venetianische Matrosen beleidig-
ten in Genua die französische Flagge. Als die französischen Waffen im-
mer weiter vordrangen, bemächtigte sich ein klägliches Schwanken des
Senats. 1794 beschloß man endlich auf Englands Andringen, das durch
den Procurator Franz P e sa ro unterstützt wurde, eine Armee auf-
zustellen und eine bewaffnete Neutralität zu behaupten ; man wollte das
Heer bis auf 40,000 Mann verstärken, und 60,000 Milizen zusam-
menberufen; man gab Befehl, die Festungen zu bewaffnen, aber es
fehlte an Geld und von allem Beschlossenen geschah nichts, als daß
7000 Mann organisirt wurden. Die Fortschritte der Franzosen beäng-
stigten die Regierung V.'s immer mehr; sie entschloß sich einen franzö-
sischen Gesandten aufzunehmen (1794), aber sie gestattete zu gleicher
Zeit, daß der Graf von Provence (nachmahls Ludwig XVIII.) / der
sich einen Regenten von Frankreich nannte, unter dem Nahmen Graf
von Li l le, seinen Wohnsitz zu Verona aufschlug und empsing diesen
unglücklichen Fürsten höchst ehrenvoll. So zwischen den Parceyen ralh-
los schwankend, ging die Republik unaufhaltsam ihrem Ende entgegen;
es würde, da sie sich überlebt hatte, der Regierung vielleicht noch
möglich gewesen seyn, den Einsturz des morschen Gebäudes aufzuhal-
ten, wenn sie eine Parten mir Kraft ergriffen hätte, aber ehrenvoller
wäre sie dann doch idrem Untergange entgegengegangen. l794 war ein
französischer Gesandter in V. angekommen, dcr vcrlangte, daß die Re-
publik ihre Neutralitat nicht nur erlären, sondern auch durch die That
beweisen, und die Franzosen, die in derselben lebten oder dahin kä-
men, als Freunde aufnehmen sollte, und nun konnte die Regierung
des Freystaat! auch nicht mehr umhin, einen Gesandten nach P a r i s zu
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe See-V, Band 5
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe See-V
- Band
- 5
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 604
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie