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Z i g e u n e r . 247
oder aus der Nachbarschaft durch den Vortrab der Türken, die sich un-
ter Siegmund den ungar. Provinzen näherten, nach Ungarn und
weiter nordwärts verscheucht, wurden sie um 1417 in den Gegenden
Ungarns und auch schon auf deutschem Boden sichtbar. — Auf der
Stirne eines Z.'s, von langen schwarzen Haaren umwallt, ist meistens
tiefe Melancholie zu lesen; düster blickt das schwarze Auge unter dun-
keln Wimpern hervor, und kein Zug ist in dem Gesichte, der nicht
Schwermuth und dumpfes Hinbrüten zu erkennen gäbe. Nicht ihre Kin-
der, nicht ihre Weiber erwecken ihre Theilnahme; die ganze Schwere
> des traurigen Geschicks dieses ausgestoßenen Volkes scheint auf ibrem
Gemüthe zu lasten, uud ihr Anblick ist geeignet, das tiefste Mitleid
einzuflößen. Überall werden diese Wanderer mir Hohn und Verachtung
bebandelt, und selbst der rohe Walache, voll physischer und moralischer
Feh'.er, sieht noch mit Geringschätzung auf den Z. herab; und doch ist
dieser voll natürlicher Fähigkeiten, ein Tausendkünstler, der sich in Allem
versucht, zu Allem Anlagen und Talente in sich trägt. Die Bergwerke
in Siebenbürgen werden.vorzugsweise von Z.n bearbeitet. Z. waren es,
die in Ungarn und Siebenbürgen die ersten Schießgewehre, Kanonen-
kugeln und andere Kriegsgeräthe verfertigten. Noch jetzt sind sie in
Ungarn die vorzüglichsten Musikanten, und unübertrefflich in der Aus-
führung ungar. Nationaltänze; ja nicht nur in der Fertigung und
Behandlung der Instrumente sind sie Meister, sondern auch selbst phan-
tasiereiche Componisten und Dichter, wenn sie auch niemahls eine
Note niederschreiben, ja nicht einmahl eine Note kennen. Z. sind es,
welche die Toilette der walachischen Weiber mit Ringen, Ohrgehängen,
Halsketten und andern Geschmeiden aus Zinn und versilbertem Messin,^-
draht versehen. Im Schmiedehandwerk sind sie vorzüglich geschickt; a!s
Wahrsager kennt sie ganz Europa; nicht minder tragen sie große Lei-
denschaft für die Heilkunde. Ansiedeln mögen sie sich nicht gerne; die
meisten folgen ihrem unwiderstehlichen Hange zum wandernden Leben,
und ziehen mit ihren Zelten im Lande umher, wo sie am liebsten unge-
bahnte Wege und düstere Gebirgsschluchten aufsuchen.^Sie sprechen thei's
walachisch, theils einen eigenen Jargon, der viele Ähnlichkeit mit den
Sprachen einiger indlscher Völkerstamme habensoll, und wahrscheinlich
auch hat. — Die Z. in Siebenbürgen theilt man gewöhnlich in 2 Clas-
sen: in herumwandernde und ansäßige. Die herumwandernden oder so-
genannten ägyptischen Lumpen-Z , mit allen Vortheilen der Civilisation
unbekannt, und von ihren angeerbten Vorurtheilen gehindert, die Ge-
legenheiten zu ergreifen, welche sich zur Verbesserung ihres Schicksales
darbiethen, führen diese Menschen ein höchst elendes Leben. Ohne eincn
steten Wohnplatz zu haben, wandern sie Sommer und Winter von
einem Platze zum andern. Im Sommer wohnen sie gewöhnlich unter
Zellen, im Winter in elenden Erdhütten. Wie widerlich es im Innern
einer solchen Zigeunerhütte aussieht, läßt sich leicht denken. Der Luft
und dem Tageslichte wird beynahe gar kein Zutritt in dieselbe gewährt.
Der ganze innere Raum bestehr aus einem gemeinschaftlichen Platze, in
dessen Mitte Feuer brennt, welches ihnen zugleich dient, sich zu erwär-
men und ihre Speisen zu bereiten. — Die angesiedelten Z. oder Neu-
Österreichische National-Enzyklopädie
Buchstabe W-Z, Band 6
- Titel
- Österreichische National-Enzyklopädie
- Untertitel
- Buchstabe W-Z
- Band
- 6
- Autoren
- Franz Gräffer
- Johann Czikann
- Verlag
- H. Strauß
- Ort
- Wien
- Datum
- 1835
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- PD
- Abmessungen
- 13.3 x 22.0 cm
- Seiten
- 668
- Schlagwörter
- Nachschlagewerk, Biografien
- Kategorien
- Lexika National-Enzyklopädie