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3. HERAUSBILDUNG VON KUNSTKENNERSCHAFT IN DER JUGEND 45
schmuck im Haar, die sie der Akademie verehrte, um sich zum Mitglied erklä-
ren zu lassen, geht offensichtlich auf eine Zeichnung Schmutzers zurück.126
So bildete auch die Aneignung manueller Druckverfahren einen festen Be-
standteil des Zeichenunterrichts der Schwestern Leopolds II. Die ehemalige
kaiserliche Privatbibliothek verwahrt Radierungen der Schwestern Maria
Elisabeth (1743–1808) und Maria Karolina (1752–1814), die diese im Alter
von 14 bis 16 Jahren nach eigenen Vorlagen schufen.127 Von Maria Anna ha-
ben sich zwei Schabkunstblätter und vierzehn Radierungen von Landschaf-
ten und Stillleben aus den Jahren 1771 und 1772 mit der Bezeichnung „ge-
mahlet und geetzet von I. K. H. Erz H. Ma. Anna“ erhalten, die größtenteils
auf Gemälde niederländischer Meister des 17. Jahrhunderts zurückgehen.128
Vor allem aber bildete das Kopieren nach Vorlagen einen zentralen As-
pekt des Zeichenunterrichts der Erzherzoge und Erzherzoginnen. Das Ver-
fahren des Nachzeichnens diente in erster Linie dazu, die eigene Wahrneh-
mung zu schärfen und bildliche Zusammenhänge besser zu erfassen. Auch
an der Akademie stellte das Kopieren nach Vorlageblättern die erste Stufe
der Ausbildung für wenig geübte Schüler dar.129 Zahlreiche Vorlageblätter
aus der Hand Jakob Matthias Schmutzers, nach denen die korrekte Wie-
dergabe des menschlichen Körpers geübt wurde, haben sich nicht nur in
der Akademie der bildenden Künste erhalten. Auch in den Zeichenmappen
aus den Nachlässen der jüngeren Geschwister des Kaisers Franz, die in der
Fideikommissbibliothek verwahrt werden, finden sich mehrfach Zeugnisse
dafür, dass Zeichnungen Schmutzers für den Unterricht der Erzherzoge he-
rangezogen wurden. Deutlich wird dies etwa bei einigen Ausdrucksstudien
der jüngsten Brüder des Kaisers, Erzherzog Ludwig (1784–1864) und Erz-
herzog Rudolf (1788–1831), die menschliche Emotionen und Stimmungen
wiedergeben.130 Die signierten Kohlezeichnungen sind bezeichnet mit „Das
Mitleiden“, „Das Schrecken“, „Der Zorn“ usw., und gehen auf eine Schmutzer
zugeschriebene Serie von „Affekten“ im Bestand der Akademie der bildenden
Künste nach dem Vorbild von Charles Le Bruns „Méthode pour apprendre à
dessiner les passions“ (1698) zurück.131
126 Wien, Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 17120 (Maria
Anna) bzw. Inv. Nr. 19121 (Jakob Matthias Schmutzer).
127 Poch (2017), S. 29 f.
128 ÖNB, BAG, 254.807-D.Fid. Es finden sich darin Fluss- und Winterlandschaften nach
Jan van Goyen und Aert van der Neer oder nächtliche Feuersbrünste nach Egbert van
der Poel. Die Radierung eines Bettlermädchens (Taf. 16) geht auf ein Gemälde Joos van
Craesbeecks zurück: Wien, Kunsthistorisches Museum, Inv. Nr. GG 2662.
129 Katalog Wien (2006), S. 26.
130 ÖNB, BAG, Pk 4340.
131 Wien, Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste, Inv. Nr. 6249.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur