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I.
EINFLUSSSPHÄREN52
Motive seiner Vorliebe für Porträtgrafik zugrunde lag. Davon zeugen auch
die vom Kaiser eigenhändig verfassten Kurzbiografien, in welchen er Ta-
ten und Werke, die mit den porträtierten Personen verbunden sind, aus ver-
schiedenen Quellen zusammentrug und niederschrieb. Damit folgte er einer
Tradition, zu der er bereits im Rahmen des Geschichtsunterrichts in Florenz
angehalten wurde. Die Sammlung sollte in erster Linie Anschauungsmate-
rial für seine historisch-genealogischen Studien bereitstellen. Das Porträt-
studium war eine Methode, geschichtliche Entwicklungen in der Vergegen-
wärtigung ihrer Protagonisten nachzuvollziehen.
Die Praxis, durch bildliche Vergegenwärtigung historische Zusammen-
hänge besser zu erfassen und dadurch einen nachhaltigeren Lernerfolg zu
erzielen, wurde von Graf Sigismund Anton von Hohenwart (1730–1820) pro-
pagiert, der 1777 auf Wunsch der Kaiserin Maria Theresia zum Geschichts-
lehrer der ältesten Söhne des Großherzogs bestellt wurde. Hohenwart, der
zuvor bereits Geschichtslehrer am Theresianum in Wien gewesen war und
zum Zeitpunkt seiner Berufung Regens des Konviktes Nordicum in Linz,
legte dem Großherzog im Mai 1777 einen schriftlichen Entwurf vor, wie er
die Unterweisung der Söhne durchzuführen gedachte.147 Das 28 Seiten um-
fassende, gründlich ausgearbeitete Konzept zum täglichen Unterricht in all-
gemeiner Geschichte ist nach Epochen unterteilt, innerhalb derer für jeden
Abschnitt ein chronologisch gegliedertes Einzelprogramm erstellt wurde. So
ist etwa der Lehrplan zur Geschichte der Kaiser aus dem Hause Habsburg
nach der Dauer ihrer jeweiligen Regierungen aufgeteilt, am Schluss folgt
eine summarische Addition. Um derartige Regentenfolgen und andere histo-
rische Zusammenhänge sichtbar zu machen, damit sie besser verinnerlicht
werden können, empfahl Hohenwart, als Lehrmittelbehelf für seinen Unter-
richt auch Porträtstiche heranzuziehen:
Eben in dieser Absicht würde ich gehorsamst um die Erlaubnis bitten, den
Erzherzogen bey vorkommender Gelegenheit gestochene oder abgeformte Sta-
tuen, Büsten, Risse, Medaillen u.s.w. auf wichtige Fälle, Regenten-folgen, Ge-
bäude u.a. vorlegen zu dürfen. Durch derlei Mittel werden alle[n] inner[en]
und äusser[en] Sinnen geholfen, der Vortrag lebhafter, das Lernen angeneh-
mer, das Beibehalten sicherer gemacht […]148
Die Verbildlichung von Geschichte durch das Heranziehen von Bildnisgrafi-
ken und durch Vergegenwärtigung der abgebildeten Person schien Hohen-
wart ein geeignetes Hilfsmittel, die Lektüre der historischen Werke, die er
147 ÖNB, HAD, Cod. Ser. n. 12113.
148 Ebenda, fol. 28.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur