Seite - 72 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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II.
SAMMELSTRATEGIEN72
Sammlung dar und ermöglichen einigermaßen zuverlässige Rückschlüsse
auf deren Zusammensetzung. Die Auswertung der individuell getätigten An-
käufe erlaubt es auch, die Auswahl auf einen konzeptionellen Ansatz hin zu
untersuchen. Eine vollständige Rekonstruktion des Grundstocks der Samm-
lung stößt aus bereits dargelegten Gründen an ihre Grenzen. In einzelnen
Fällen ermöglicht die Quellenlage bestenfalls, Anschaffungen zeitlich einzu-
grenzen. Anhand der überwiegenden Mehrzahl der erhaltenen Belege lässt
sich jedoch verlässlich ersehen, wann Ankäufe von Porträtstichen getätigt
wurden und zu welchem Preis. Zudem verzeichnen die meisten Quittungen
auch die dargestellten Personen und, seltener, die beteiligten Künstler. Be-
zieht man diese Informationen in die Analyse des Profils der frühen Samm-
lung mit ein, so stellt sich über die Ermittlung gewisser Vorlieben des Erz-
herzogs hinaus die Frage nach einem konkreten Sammelkonzept.
Auf den ersten Blick lässt sich bei seiner Selektion ein ganz generelles
Interesse an druckgrafischen Porträts jeglicher Art feststellen, unabhän-
gig von deren Qualität. Die Erwerbungen der ersten Jahre beschränken
sich keineswegs auf Blätter von hohem künstlerischem Wert, es zeigt sich
vielmehr das Bestreben, eine rasche Vermehrung des Bestandes auf Kos-
ten übermäßiger Ansprüche zu erreichen. So weit das Spektrum der Blätter
hinsichtlich deren künstlerischer Qualität reichte, so breit legte Franz die
Sammlung auch in Hinblick auf ihre inhaltliche Ausrichtung an. Der univer-
sal-enzyklopädische Anspruch, der ein wesentliches Merkmal seiner rund
fünfzigjährigen Sammeltätigkeit bildete, wird bereits in den Erwerbungen
der ersten Jahre deutlich. Das Sammeln grafischer Bildnisse, unabhängig
von Herkunft, Rang oder Amt der Dargestellten, entsprach durchaus den
Konventionen der Zeit und unterschied sich kaum von zeitgenössischen
Sammlungen bürgerlicher Provenienz.191 Dennoch lässt sich in Hinblick auf
die frühen Porträterwerbungen nicht von einer generellen Profillosigkeit
sprechen. Die inhaltliche Zusammensetzung der Bildnisse, die den eigent-
lichen Kern der Sammlung bildeten, reichte von zeitgenössischen Militärs
und Staatsmännern bis zu Dichtern und Gelehrten – Angehörige unter-
schiedlicher sozialer Gruppen, aber zumeist höheren Standes. Kaiser, Kö-
nige oder Päpste fanden hingegen zunächst kaum Berücksichtigung. So un-
terschiedlich die Wirkungskreise der Persönlichkeiten also waren, welche es
verdienten, in die Porträtsammlung des jungen Erzherzogs aufgenommen
zu werden, so agierten sie doch alle in seiner unmittelbaren Gegenwart. Man
könnte den Grundstock seiner Sammlung als eine Galerie von Zeitgenossen
bezeichnen, die zur Zeit der Spätaufklärung das politische und geistige Le-
ben Europas mitbestimmten. Mit dem Sammeln ihrer Bildnisse konnte der
191 Vgl. dazu Kap. 6.4.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur