Seite - 163 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
Bild der Seite - 163 -
Text der Seite - 163 -
6. BÜRGERLICHES SAMMELN UND ORDNEN VON PORTRÄTGRAFIK IM 18. JAHRHUNDERT 163
Kollektionen oder dem niederen Adel im Sinne einer geburtsständischen
Differenzierung abzugrenzen suchten. Doch auch bürgerliche Sammlungen,
sogar solche von Gelehrtenporträts, wurden mitunter aus familiengeschicht-
licher Perspektive geordnet, dies belegen etwa Bildnisfolgen der sächsischen
Gelehrtenfamilien Olearius, Carpzov oder Mencke.523
Eine Sonderrolle nahmen auch in diesem Zusammenhang die freien
Reichsstädte wie Augsburg oder Nürnberg ein, durch die rege Sammeltä-
tigkeit des Patriziates und dessen adelsähnliche Stellung an der Spitze der
stadtbürgerlichen Gesellschaftspyramide. In Nürnberg verstanden sich die
Patrizier als Adelige und erhoben den Anspruch, mit dem Landadel auf ei-
ner Stufe zu stehen.524 Nicht zuletzt aufgrund ihres langen Bestehens durch
geschlossene Heiratskreise und Wahrung von Ständegrenzen hatten viele
der in den Adelsstand erhobenen Familien einen gesellschaftlichen Vorrang
gegenüber der übrigen Bürgerschaft. Ein typisches Charakteristikum war
dabei die hohe Bedeutung von Familienbewusstsein und Traditionspflege in
den patrizischen Familien, die sich etwa in der Anfertigung von Geschlech-
terbüchern niederschlug.525 Familiengeschichtliche Kenntnisse spielten in
der Selbstdarstellung eine zentrale Rolle. Damit verbunden waren die Stu-
dien der Genealogie und Heraldik, welche auch in Christian Schroeters 1704
erschienenem Werk zur Bildung des jungen Adels propagiert werden.526 Et-
liche Patrizierfamilien begannen gegen Ende des 17. Jahrhunderts, druck-
grafische Ahnengalerien anzulegen, die meist über mehrere Jahrhunderte
zurückreichten. Dadurch entstand in Städten wie Augsburg oder Nürnberg
eine große Nachfrage nach grafischen Porträts, die als Auftragsarbeiten
vermögender Bürger entstanden und nach deren Anweisungen meist fin-
gierte, also nicht auf ad-vivum-Vorlagen zurückgehende Darstellungen ih-
rer Vorfahren wiedergaben. Den zeitgenössisch anmutenden Dargestellten
war nicht selten ein berufstypisches Attribut beigefügt. Diese Bildnisse, oft
von mäßiger Qualität, dienten dann den Ratsfamilien zur Ergänzung ihrer
genealogischen Familiengalerien und Stammbäume und wurden bald zum
523 Hierüber bemerkt Sigmund Jakob Apin: „Wieder andere richten sich nach den Familien,
und legen zusammen berühmte Carpzovios, Olearios, Mulleros, Alardos, Menckenios &c.
Weil es aber selten geschiehet, daß aus einer Familie alle studieren, und ferner einer zu
diesem, der andere zu einem andern Studio Lust hat, auch in diversen Facultäten Promo-
tion bekommen, so trifft man auch hier keine rechte Ordnung.“ Apin (1728), S. 23.
524 Mährle (2000), S. 27.
525 Ebenda, S. 27 f.
526 „[…] hat man bey adelichen und Standes-Personen schöne Gelegenheit von ihren Wapen und
Fahnen zu reden. Wer sich aber auf solche Weise will sehen lassen, muß in Arte Heraldica
bekandt seyn, und jede Farbe, Figur und andre Stücke des Wapens untersuchen […]“. Schro-
eter, Chritian: Gründliche Anweisung zur deutschen Oratorie […], Leipzig, 1704, S. 10.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur