Seite - 224 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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III.
ORDNUNGSSTRATEGIEN224
oder das Stadtpatriziat von Nürnberg, sind augenscheinlich nicht auf ein
spezielles Sammelinteresse des Prinzen Eugen zurückzuführen. Es offen-
bart sich hier vielmehr jene geschlossene Teilsammlung, die der Prinz in
Nürnberg von Gottfried Thomasius käuflich erworben hatte. Man kann da-
von ausgehen, dass Thomasius seine Sammlung in eine hervorragende Ord-
nung gebracht hat, wie es einer Gelehrtensammlung des 18. Jahrhunderts
entsprach. Das Systematisieren der eigenen Bibliothek, aber auch jener
befreundeter Gelehrter war eine der Betätigungen, denen sich Thomasius
mit Hingabe widmete.719 Wo es möglich war, konnte man die Ordnung weit-
gehend übernehmen, insgesamt musste die Sammlung jedoch in das allge-
meine hierarchische Ordnungsschema eingepasst werden. So wies jede der
territorialen Abteilungen in ihren Grundzügen eine ähnliche hierarchische
Binnengliederung auf, wie sie auch bei den französischen Bildnissen ange-
wandt wurde. Auf die Kurfürsten, Fürsten und den sonstigen Adel folgten
die Militärs, Räte und Beamten, Gelehrten und Schriftsteller, schließlich
Ärzte, Künstler und zuletzt die Geistlichkeit. Den Beginn der jeweiligen
Abteilungen bildeten die Kurfürsten und Erzbischöfe von Mainz, Trier und
Köln, die Kurfürsten und Regenten von Bayern, die Kurfürsten und Fürs-
ten von Sachsen, die Fürsten der Mark Brandenburg, von Preußen und
Pommern, die Herzoge von Braunschweig-Lüneburg und Württemberg, die
Landgrafen von Hessen, Fürsten von Friesland, Herzoge von Kleve, Fürsten
von Anhalt, zuletzt die Fürsten aus dem Haus Nassau.
Einen eigenen Kosmos innerhalb der mehrheitlich adeligen, genealo-
gisch-hierarchisch strukturierten Gruppe deutscher Fürsten- und Herzogtü-
mer stellten die Portefeuilles zu den Reichsstädten Augsburg, Nürnberg und
Frankfurt am Main dar, in denen die Dominanz einer bürgerlichen Ober-
schicht des 18. Jahrhunderts deutlich hervortrat. Wie ein Gegenpart aufge-
klärt-städtischer Eliten zur feudalen Sammlung von Kaisern, Fürsten und
Bischöfen scheinen die Bildnisse von Angehörigen des finanzkräftigen Bür-
gertums, der Handelsleute, Ratsherren oder Ärzte bürgerlicher Herkunft.
Im Falle der „Ville libre de L’Empire Nuremberg“ bildeten sie mit insgesamt
14 Portefeuilles gar die größte zusammenhängende Gruppe innerhalb der
gesamten Porträtsammlung.
Gottfried Thomasius sammelte und ordnete aus der Perspektive eines re-
formierten Gelehrten. Gekrönten Häuptern, Generälen oder großen Staats-
männern galt weniger sein Interesse als den Gelehrten verschiedenster
Fakultäten, Dichtern, Künstlern und Pastoren protestantischer Gemein-
den. Dazu kam, dass er mit großem Sammeleifer große Mengen kleinfor-
matiger Porträtstiche und Schabkunstblätter Nürnberger Bürgerfamilien
719 Vgl. Will (1758), S. 383.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur