Seite - 240 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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III.
ORDNUNGSSTRATEGIEN240
7.7 Die historische Porträtgalerie – Louis-Philippe I.
Eine bemerkenswerte Analogie zur Sammel- und Ordnungstätigkeit Franz’ I.
lässt sich etwa zur gleichen Zeit in der Person seines Schwagers und letzten
Königs der Franzosen, Louis-Philippe I. (1773–1850) beobachten.768 Der aus
der bourbonischen Nebenlinie Orléans stammende Louis-Philippe, aufgrund
seiner vergleichsweise liberalen Haltung auch „Bürgerkönig“ genannt, war von
früher Jugend auf Sammler und Liebhaber von Büchern und Kupferstichen.
Mit einem stattlichen Teil seines beträchtlichen Vermögens förderte er junge
Literaten und Künstler ebenso wie die Buchdruckerkunst im Allgemeinen, in-
dem er Werke bei verschiedenen privaten Druckereien in Auftrag gab.769 Seine
erlesene Privatbibliothek, untergebracht in einem Flügel des Palais Royal,
beherbergte neben seltenen Drucken und kostbaren Handschriften auch eine
Sammlung von Porträtstichen, die in ihrem Umfang durchaus mit jener des
Habsburger-Kaisers vergleichbar war. Jean Vatout, französischer Geschichts-
schreiber und erster Bibliothekar des Königs, berichtet in seinen „Souvenirs
historique des résidences royales de France“, dass der König neben seiner Bib-
liothek in einem „Grand salon des Gravures“ eine prachtvolle Sammlung gesto-
chener Porträts aufgestellt hatte, die sich auf 25.000 Stück belief.770
Das rasche Anwachsen seiner Porträtsammlung verdankte Louis-Philippe
vor allem dem Ankauf großer privater Sammlungen im In- und Ausland. Als
im Juli 1832 der erste Pastor der reformierten Kirche von Paris, Paul-Henri
Marron, ein aufgeklärter Kunstliebhaber und Sammler von Handschriften
und künstlerischen Raritäten, an der Cholera starb, erwarb der König des-
sen Porträtsammlung. Die bedeutende Sammlung Marrons, bestehend aus
rund 30.000 grafischen Porträts, wurde allerdings in den folgenden Jahren
wieder stückweise veräußert, bevor sie 1848, während der Invasion des Kö-
niglichen Palastes, zu einem großen Teil vernichtet wurde.771 Dies dürfte
auch die Differenz zur Schätzung Vatouts (25.000 Stück) erklären.
Das Sammeln, Ordnen und Katalogisieren der druckgrafischen Bildnisse
zählte wie bei Kaiser Franz I. zu den bevorzugten privaten Beschäftigungen
Louis-Philippes. Zeitgenossen berichten, dass sich der König so gut wie jeden
Tag während der wenigen Freizeit, die ihm die öffentlichen Geschäfte übrig
ließen, seiner Sammlung widmete.772
768 Louis Philippe heiratete 1809 Maria Amalia von Neapel-Sizilien (1782–1866), eine jün-
gere Schwester der Kaiserin Maria Theresia, zweite Gemahlin Franz’ I.
769 Dupont, Bd. 1 (1854), S. 344.
770 Vatout (1838), S.337.
771 Haag/Haag, Bd. 7 (1857), S. 285.
772 Dupont (1854), S. 346.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur