Seite - 268 - in Porträtgalerien auf Papier - Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
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III.
ORDNUNGSSTRATEGIEN268
Möller).821 Der aus dem Habsburgerreich in die Residenzstadt gezogene Adel
nahm die gesellschaftliche wie wirtschaftliche Vorrangstellung ein, durch
den vergleichsweise geringen Anteil großbürgerlicher Kaufleute besaß die
Residenzstadt daher mehr aristokratischen als bürgerlichen Charakter. Die
„ansehnlichsten Classen“ der Einwohner von Wien beschreibt Johann Pezzl
1802 in der ersten Ausgabe seiner Beschreibung von Wien.822 Nach dem k.k.
Hof ist dies zunächst der höhere Adel, welcher sich aus Fürsten, Grafen und
Freiherrn zusammensetzt. Zu diesem Zeitpunkt lebten laut Pezzl in Wien
21 fürstliche, ungefähr 70 gräfliche und 50 freiherrliche Familien. Danach
folgt der „zweyte Adel“. Er besteht aus Rittern und Landmännern, Edlen
und Herren. Die Bürgerschaft besteht aus 7000 Personen, ist sehr wohlha-
bend und zählt manche reiche Häuser. Der Handelsstand ist in dieser Klasse
der vermögendste. Die Beamten bestehen aus landesfürstlichen, ständischen
und städtischen und betragen ungefähr 4000 Köpfe. Die übrigen Klassen be-
stehen aus Geistlichen, Militärpersonen, Universitätsmitgliedern, Künst-
lern, Hausoffizieren, Professionisten, Handwerkern, Fabrikanten und Ar-
beitsleuten von niedrigeren Gattungen.
Zum Zeitpunkt der Festlegung der Ordnungsklassen durch Kaiser Franz
kann man noch von einer teilweise intakten Ständegesellschaft sprechen, die
länger als anderswo der ständisch-feudalen Gesellschaftsstruktur verhaftet
blieb. Insbesondere der dominierende Einfluss des Adels wird in der Vertei-
lung der Ordnungsklassen deutlich.
So sind nicht nur direkt dem Hof zuzuordnende Gruppen wie Hofchargen,
Kammerherrn oder Sekretäre, also Träger von Hofämtern oder sonstige Tä-
tigkeiten im Dienste des kaiserlichen Hofes ausübende Angehörige des Ho-
fadels, außerordentlich hoch vertreten. Auch der hohe Anteil an staatlichen
Verwaltungs- und Regierungsfunktionen wie kaiserliche Räte, Gouverneure,
Gesandte oder Minister, welche ebenfalls meist dem hohen Adel entstamm-
ten, zeugt von einem bestimmenden Einfluss des Adels innerhalb der „stän-
dischen“ Abteilung. Dasselbe lässt sich auch in den Klassen der kaiserlichen
Generäle und Stabsoffiziere feststellen – Laufbahnen, die ausschließlich
adeligen Standespersonen vorbehalten waren, sowie einigen geistlichen Äm-
terklassen des hohen katholischen Klerus. Franz notierte im alphabetischen
Katalog zu den Namen jeweils auch die Ämter der Hofchargen, die Ränge
der Offiziere und sonstigen Militärs sowie die Einsatzorte von Gesandten
und Gouverneuren.
Demgegenüber stehen wiederum Klassenbezeichnungen, die sich un-
zweifelhaft auf die Eingliederung der Porträtsammlung des Georg Friedrich
821 Möller (1989), S. 123.
822 Pezzl (1802), S. 237 f.
Porträtgalerien auf Papier
Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Titel
- Porträtgalerien auf Papier
- Untertitel
- Sammeln und Ordnen von druckgrafischen Porträts am Beispiel Kaiser Franz‘ I. von Österreich und anderer fürstlicher Sammler
- Autor
- Patrick Poch
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20855-6
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 326
- Schlagwörter
- Arts, Art Collector, 18th Century, Citizens, Antique Portraits, Kunstsammler, 18. Jahrhundert, Bürger, Antike Porträts, HBJD, European History
- Kategorie
- Kunst und Kultur