Seite - 14 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
Bild der Seite - 14 -
Text der Seite - 14 -
mit ähnlichen Institutionen, die ebenfalls die Anerkennung der sozialistischen
Verbrechenals ‚größeresÜbel‘ imVergleichzurNS-Besatzungfordern,erschließt
hierneuePerspektiven.
– DasHolocaust-Gedenkmuseumwurde 2004 ebenfalls als staatliches Mu-
seumeröffnet– inundunter einerBudapester Synagoge, die zudiesemZweck
renoviert wurde. Als internationales Signal – auch angesichts der Kritik am
HausdesTerrors–wurdeesvondererstenOrbán-Regierungmitinitiiertundunter
der sozialistisch-liberalenMedgyessy-RegierungwenigeWochenvor demEU-
Beitritt eröffnet (Fritz 2010, 173), obwohl die ständige Ausstellung erst 2006
fertiggestellt werden konnte. Mehrere Publikationen kritisieren seine peri-
phereLage imVergleichzumzentral gelegenenHausdesTerrorsundzumur-
sprünglichvorgesehenenStandort ineinerzentrumsnäherenSynagoge. (Seewann
undKovács2006a,56;Fritz2010,170)DiehohenMauernumdasMuseumwerden
alsGhettoisierungdermarginalisiertenHolocaust-Erinnerung inUngarn interpre-
tiert. (Fritz2010, 170)EinigesprachensichgegendieUnterbringung ineinerSyna-
gogeaus,daeinHolocaust-Gedenkortnicht soengmitReligionverknüpftwerden
dürfe. (Köhr 2007; Ungváry 2006, 212) Dass die Verfolgung undVernichtung der
ungarischenRoma,die ebenfallsGegenstandderAusstellung ist, somit ebenfalls
auf demGelände einer Synagoge thematisiert wird, erörtern die Publikationen
abernicht.Währendeinigebemängeln,dassdie renovierteSynagoge imZweiten
Weltkrieg imGegensatz zum ursprünglich geplanten Ort nur eine marginale
Rolle gespielt hatte (Mihok 2005, 164; Fritz 2010, 170), betonen andere ihren
In-situ-Charakter, da das Gebäude 1944/45 als Anhaltezentrum für die jüdi-
sche Bevölkerung des Bezirks gedient hatte. (Mányi 2006, 34; Seewann und
Kovács 2006a, 56) Die vorläufige Ausstellung zeigte bis 2006 neben einer
kleinen,weitgehendvergessenenAusstellungüberdieVerfolgungvonRoma
(Meyer2014,145)auchFotografienausdem,Auschwitz-Album‘voninAuschwitz
ankommendenungarischen Jüdinnen und Juden–und erntete dafür Kritik, da
dieungarischeMitverantwortungfürdenHolocaustausgespartwurde.
Als jedoch2006dievon JuditMolnárkuratierte ständigeAusstellungeröff-
netwurde,hobenvieleAutorInnendiekritischeAuseinandersetzungmitunga-
rischenTäterInnenpositivhervor. (Fritz 2010, 171;Blutinger 2010, 89;Manchin
2015, 247)18Kritikwurdenunmehrvorallemander spärlichenBehandlungder
Zeit nach 1945 geübt: es fehle die Information, dass die meisten TäterInnen
18 Zeitungsberichte (Mihai 2017;RedaktionTamedia 2019)überdasgeplante, höchst umstrit-
tenezweiteHolocaust-MuseuminBudapest,dasHausderSchicksale, verweisenaktuellwieder
verstärktaufdasersteBudapesterHolocaust-Museum.
14 1 Einleitung
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918