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Whilepreviously theEast Europeans found it difficult todraw theattentionof theirWes-
tern counterpartswith regard toquestions of their history andmemory, the official com-
memorationsandpublic controversiesof the last fewyears showthatEasternEuropehas
become an important trigger for discussions about the content and form of a European
narrative. (PakierundWawrzyniak2015,1f)
Es kann festgehalten werden, dass es den postsozialistischenMitgliedstaaten
unmittelbar nachdemEU-Beitritt gelungen ist, denFokus vonder ‚Europäisie-
rung desHolocaust‘ auf eine ‚Europäisierung der Erinnerung‘ zu verschieben,
die auch die Erinnerung an den Stalinismus und Staatssozialismus und ihre
Verbrechen enthält. Diesewird aber nicht einfach als eineweitere unverzicht-
bareKomponente indeneuropäischenKanonhereingeholt.Vielmehrbefördern
die neuenpostsozialistischenEU-Mitgliedsländer eineGleichsetzung: „since the
enlargement, anothermemorial framehasbecome increasingly institutionalized
at theEU level: thedescriptionof ‚NazismandStalinismasequally evil‘“. (Calli-
garo2015,339)
Der23.AugustlässtsichdabeimitHeidemarieUhlalsAntithesezum27.Januar
begreifen. Dennwährend die ‚Europäisierung des Holocaust‘ und das Gedenken
andieBefreiungvonAuschwitz alsAusdruckdessenverstandenwerdenkönnen,
wasobenals ‚negativesGedächtnis‘, als Fragenachder Involvierungder eigenen
Gesellschaft indieNS-Verbrechenbezeichnetwurde,befördertder 23.Augustdie-
ses negativeErinnernnicht: „In der Erinnerungskultur der Post-1989-Gesellschaf-
ten ist das ‚eigene Volk‘ ein unschuldiges Opfer grausamer Unterdrückung von
außen, die Involvierung der eigenen Gesellschaft in das kommunistische Herr-
schaftssystemkannsoexternalisiertwerden“ (Uhl 2009)–wieauchdieNS-Kolla-
boration, ließesichhierergänzen.
Wenn indieserArbeit untersuchtwird,wie sichdie ‚EuropäisierungderErin-
nerung‘ in denmit der Zeit des ZweitenWeltkriegs befasstenMuseen ausgewirkt
hat, soll es keineswegs darumgehen, ‚Geschichtsklitterung‘ aus einer ‚akkusato-
risch-moralischen‘Positionherauszuuntersuchen,sonderneswerden„geradedie
widersprüchlichenGeschichtsbilder,TabuisierungenundSchweigestellen“ (Gerbel
et al. 2005, 20) zumAusgangspunkt der Analyse gemacht. Verschiedene par-
teiischeVergangenheitenentstehendurchdasstrategischeGegenhandelnver-
schiedenster politischerKräfte undwerden,wennes strategisch-taktischnottut,
revidiertoderderverändertenSituationangepasst:
„Vergangenheit“ ist das – nie einheitliche – Produkt dieses Gegenhandelns. Dabei darf
nicht übersehen werden, dass dieses Produkt auch in Schweigen oder Stille bestehen
kann.Dies bedeutet nicht unbedingt dieAbwesenheit vonErinnerung, nicht einfachdas
Aussetzen der Konstruktionsleistung. Vielmehr können Leerstellen selbst das Ergebnis
einer Konstruktion sein, das demvorübergehenden Sieg einer bestimmtenKonstruktion
geschuldet ist, also demSieg einer bestimmtenVergangenheitsversion, der es gelungen
30 2 TheoretischeEinbettung
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918