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Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
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SelbstverständlichmussmandieTagebüchermitderselbenkritischenAufmerksamkeitbe- nutzenwie jedesandereDokument.AlsQuellen fürdieGeschichte jüdischenLebenswäh- rendder JahrederVerfolgungundVernichtungbleiben sie jedochunersetzlich.Hunderte, wahrscheinlichTausendevonZeugenvertrautenihreBeobachtungenderVerschwiegenheit ihrer privatenAufzeichnungen an. Diese Zeugnisse schildern in allen Einzelheiten die In- itiativenunddiealltäglicheBrutalitätderTäter,dieReaktionenderBevölkerung,dasLeben unddieVernichtung ihrerGemeinden, aber siehaltenauchdieWelt ihresAlltags fest, die vonVerzweiflung,Gerüchten, IllusionenundHoffnungbestimmt ist,welche sich fortwäh- rendabwechseln,meistbiszumEnde. (Friedländer2007, 10) Identifikationmit demOpfer führt aber keinesfalls automatisch zuErkenntnis. Als Gründe für die zunehmende Popularisierung des „biographischenMotivs“ vonEinzelschicksalen inHolocaustmuseennenntKöhr (2012, 170) denGenera- tionenwechsel, den Einfluss filmischer Erzählungen wie Schindlers Liste oder DerPianist sowie einenParadigmenwechsel inderGeschichtswissenschaft von derSozial- zurKulturgeschichte. Siewarnt aber vor einerGefahrderDekontex- tualisierung, der Auflösung in zahlreiche Einzelgeschichten, die in vielfältige Zusammenhängegestelltwerdenkönnen. (Köhr2012, 175) Diese Tendenzwurde etwabei der Konzeption der 2006 eröffnetenAusstel- lung in Jasenovac deutlich. Dieses In-situ-Museum plante einen starken Fokus auf die individuellen Opfer, ihre Namen, Hinterlassenschaften und Zeugnisse. Erst imZugeeiner langwierigenKontroversekonntenOpferverbändeundandere inländische KritikerInnendurchsetzen, dass auf einemBildschirm, auf demdie Namen der bisher namentlich identifizierten knapp 84.000 Opfer durchlaufen (Abb.2),auchihrGeburts-undSterbejahrsowie ihreethnischeZugehörigkeitan- geführtwerden. (Radonić2014b,96)DasAlterunddieethnischeZuordnungma- chennunklar,dassauchKinderundGreiseermordetwurden,weil sieSerbinnen undSerben,RomnijaundRomaoderJüdinnenundJudenwaren,aus ‚rassischen‘ Gründen also. Erst dadurch ist gewährleistet, dass dasMuseummit der in den 1990erJahreninKroatienunterFranjoTuđmandominantengeschichtsrevisionis- tischenDeutungderJasenovac-OpferalspolitischenGegnerInnenaufräumt. DerweitgehendeFokus auf individuelleOpfer birgt dieGefahr derDekontex- tualisierung und Enthistorisierung. Die Darstellung des individuellen Opfers als Teil eines nationalen Kollektivopfers, wie sie in anderenMuseen anzutreffen ist, verhindert ebenfalls tendenziell Fragen von Mitverantwortung sowie nach dem Verwischen von TäterInnen-, KollaborateurInnen- undOpferrollen und befördert die ExternalisierungvonVerantwortung anäußere, fremdeMächte, die zu einem „EuropaderOpfer“ (HammersteinundHofmann2009, 203; Jureit 2009) führt. „Integrierte Geschichte“ (Friedländer 2007) bezieht hingegen die unverzicht- barenZeugnisse individuellerOpfer ebensoeinwieTäterInnen,Kollaborateu- rInnenunddenkomplexenhistorischenKontext. 36 2 TheoretischeEinbettung
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Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
Titel
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Untertitel
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
Autor
Ljiljana Radonić
Verlag
DE GRUYTER
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-11-072205-5
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
338
Schlagwörter
Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
Geschichte Nach 1918
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