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3 Methodologie
DiezehnhiersystematischanalysiertenMuseenwurdenimKontextderTransfor-
mationsprozesse nach 1989, des europäischenEinigungsprozesses sowie der je-
weiligen nationalen Geschichtspolitik und Museumslandschaft untersucht.
Kombiniert werden die vonMuseumsstudien (MacDonald 2006; Baur 2013;
Heesen 2012; Byrne et al. 2011; Muttenthaler undWonisch 2006, 37; Bal 1996;
Rüsen, Ernst undGrütter 1988) entwickelte site analysis, Diskursanalyse (Keller
2011; Jäger 2004; Titscher,Meyer, Vetter undWodak 2000), visual history (Paul
2013;Hansen-Gluecklich2010;Brink2008;BrinkundWegerer2012;Knoch2001;
Bredekamp2004;Korff 1999)und–die ‚traditionelle‘Methodikverlassend–die
Analyse vonMuseenalshybrideMedien,die imZusammenspiel der verschiede-
nenMedieneineüberdie einzelnenElementehinausgehendeBedeutungentfal-
ten.34 Mit Mieke Bal wird gefragt: „How do, far from being opposite or even
distantdomains,politicalworkandaestheticworkoperate together inaninextri-
cablemergingthatstrengthensboth?“ (Bal2007,16)35DieUntersuchungfandzu-
nächst für jedesMuseumgesondertstattundzwar jeweilsaufdreiEbenen(Crane
2000,2):
1. RaumundseineKodifizierung:DerOrtunddieRolledesMuseums
2. LeitnarrativundStoryline
3. Ästhetik,3D-Objekte,VisuellesundText
34 Problematisch erweist sichhingegendieAnalyse bloß einer Ebene,wie sie etwabeiHolt-
schneider zuverfälschendenErgebnissen inBezugaufdieHolocaust-Ausstellungdes Imperial
WarMuseums inLondon führte: „Thecurrent one-sideddiscourse about theHolocaust in the
IWMHE is a discourse that refuses Jews normality asmuch as it refuses Jews agency.“ (Holt-
schneider 2011, 71) Dieser scharfe Angriff entpuppt sich als unhaltbar, sobaldmandazusagt,
dass sichHoltschneidersAnalysehier zurGänzeaufdieFotos konzentriert undAusstellungs-
texteerklärtermaßenignoriert.Dochdiese findensichzufälligauchauf ihrenAbbildungender
Ausstellung, sodass etwa in der mit „Spiritueller Widerstand“ übertitelte Sektion völlig un-
missverständlichdeutlichwird,dassman trotzallerWidrigkeitensoweitwiemöglich jüdische
BräucheundErziehung fortführte,Konzertegab,Theater spielte,Tagebuchschrieb,Zeitungen
herausgabunddieVerfolgungdokumentierte. (Holtschneider2011,67)
35 „NeueMedien“ (HoskinsundHoldsworth2015),wiesieetwadas JewishMuseumandTole-
rance Center inMoskau oder dasMuseumder Geschichte der polnischen Juden inWarschau
prägen, sind indenhier systematisch analysiertenMuseen seltenundbleibenaufVideos be-
schränkt,diepassivkonsumiertoder Infoseiten,dieangeklicktwerdenkönnen.Erst inden letz-
ten Jahren fügte das Haus des Terrors zu seiner ungarischsprachigen Ausstellung einen
Tablet-Guide in verschiedenen Sprachenhinzu. Interaktive Fragenwie ‚Wie hättest Du gehan-
delt?‘wurden2018 imZeitgeschichtemuseuminLjubljanaundimVabamuMuseumderOkku-
pationenundderFreiheit inTallinneingeführt.
OpenAccess.©2021LjiljanaRadonić,publiziertvonDeGruyter. DiesesWerk ist lizensiert
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https://doi.org/10.1515/9783110722055-003
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918