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tualisiertwerdenmüssen.Die InhaltederAusstellungwerdeninbeidenFällen
ausgehend von diesen ‚auratischen‘Objekten entwickelt.“ (Sommer-Sieghart
2006,161)
2. Ausstellungenmit ‚konstruiert-authentischen‘Objekten: Objekte, die als
sinnlich ansprechend eingestuft werden (Alltagsgegenstände, Archivma-
terial, Fotografien, Filme, Zeitungen, Tagebücher), werden als Belege für
diedenBesucherInnenangeboteneTheseherangezogen. (Korff 2002, 170)
Die Unterscheidung zwischen einem ‚authentischen‘ und einem ‚nicht-
authentischen‘Objektwirdhier tendenziell aufgehoben: JederKoffer und
jeder Radioempfänger aus der entsprechenden Zeit kann eingesetzt wer-
den, umdasNarrativ etwa der sowjetischenRepression zu untermauern,
wie dies zum Beispiel in der 2003 im Tallinner Okkupationsmuseum in-
stalliertenAusstellungderFallwar.
3. Reine Installationen, welche die Vergangenheit als etwas inszenieren, das
man berühren, riechen und durch dasmanwie in einer Zeitmaschine hin-
durchschreitenkann. (Beier-deHaan2005, 252)Diese Formwird inderwis-
senschaftlichenLiteraturmeist kritischgesehen. (Wahnich 2008, 228) „Statt
mit unerwartetenBezügen oder fast unmerklichen IrritationenNachdenken
und kritische Auseinandersetzung zu stimulieren, fördern siemit der Aus-
richtung auf das unmittelbare distanzlose Erlebnis lediglich Sentimentalitä-
ten.“ (Scholze2004,198)
Viele Museen verwendenmehr als eine dieser Ausstellungsstrategien abwech-
selndinunterschiedlichenRäumen.ImMuseumdesWarschauerAufstandskann
manetwa ‚wiedieAufständischen‘ 1944durch einenKanal gehenoder auf den
Gräbern der zerstörten StadtWarschauwandern. ImKeller desHauses des Ter-
rors sollenBesucherInnendieEngeder nachgebautenFolterzellen spüren. Be-
sonders fällt indenneuerenLänderausstellungen indennationalenPavillons
Ungarns und der Slowakei im Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau der
Trendauf,dieBesucherInnensozusagenzu ‚deportieren‘, siealsodurcheinen
gläsernen,hoch-ästhetisiertenDeportationswaggonhindurchschreiten zu las-
sen (wie im Fall der ungarischen Ausstellung) oder sie vomGeräusch eines
fahrenden Zuges begleitet auf Bahnschwellen zumDeportationswaggon und
ausdiesemhinaustretenzu lassen.
Insbesondere dort, wo Objekte nicht mit einer klaren Deutung versehen
sind, interessiert mich dabei die Polysemie, die Mehrdeutigkeit der Objekte.
OlafMußmannweist darauf hin, dass der Rückzug auf die ‚Aura‘ der Objekte
nicht unproblematisch ist: „Kontextualisierung stellt hohe Anforderungen an
MacherInnen.Gelingt sienicht, bleibendieExponateausderZeitherausgebro-
cheneGegenstände, isoliert, unverständlich, bedeutungslos.“ (Mußmann2002,
3.3 Ästhetik,Objekte,VisuellesundTexte imDetail 47
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918