Seite - 52 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
Bild der Seite - 52 -
Text der Seite - 52 -
antifaschistische Narrativ vomheldenhaften kommunistischenWiderstand in
sozialistischenLändernsehrähnlichundeineAnalysedersozialistischenMu-
seen und ihrer Ausstellungen nicht vielversprechend. Doch obwohl alle drei
Erinnerungsorte einen prominenten Stellenwert im jeweiligen sozialistischen
Gründungsmythos innehatten,bargensie fürdasvorherrschendeantifaschistisch-
sozialistischeNarrativ jeweils einProblem.DerSlowakischeNationalaufstandvon
1944 ließ sich nicht bruchlos ins tschechoslowakische sozialistischeNarrativ
eingliedern,daerauchdie slowakische ‚nationaleFrage‘betraf. InTheresien-
stadtwarenüber 150.000 Jüdinnenund Juden imGhetto inhaftiert undüber-
lebtendenKrieg inderMehrzahlnicht– imGegensatzzudenrund32.000vor
allem politischen Häftlingen im Gestapo-Gefängnis in der Kleinen Festung.
Trotzdemdurfte es in Terezín keinGhetto-Museumgeben. (Benz 2013, 13–15)
ImUstaša-Konzentrationslager Jasenovac in Kroatienwaren die bis zu 100.000
OpfermehrheitlichnichtPartisanInnen,sondernSerbInnen, JüdinnenundJuden
sowieRomnijaundRoma,diediekroatischenUstašaaus ‚rassischen‘Gründen
ermordeten,wasdem jugoslawischenGründungsmythosvonder ‚Brüderlichkeit
undEinheit‘widersprach.Die Spannung zwischenHeldInnen-undOpfergeden-
kenwirdanallendreiErinnerungsortendeutlich.
4.1.1 DasMuseumdesSlowakischenNationalaufstands inBanskáBystrica
DerSlowakischeNationalaufstand (Slovenskénárodnépovstanie–SNP)wurdeab
dem29.August 1944 zweiMonate lang letztlich erfolglos gegendas ‚DritteReich‘
unddas slowakischeKollaborationsregimeunter Jozef Tiso geführt. Seine Propo-
nentInnenwarenaufständische Teile der slowakischenArmee sowie slowakische
undsowjetischePartisanInneneinheiten.NachderNiederschlagungdesAufstands
imOktober setztenGuerillatruppendenKampfbis zumEinmarschderSowjet-
union 1945 fort. EinsatzgruppenexekutiertenmitUnterstützung slowakischer
Kollaborateure SlowakInnen, die unter demVerdacht standen, den Aufständi-
schen zuhelfen, außerdem jeneRomnjaundRoma sowie Jüdinnenund Juden,
denen es bis dahin gelungenwar, der Deportation zu entgehen. Sie wurden
Opfer etwader größtenHinrichtung inKremnička, bei der 747Menschenermor-
detwurden.
Die erste demNationalaufstandgewidmeteAusstellungeröffnete bereits 1945
inBratislava. NachderMachtübernahmeder tschechoslowakischenKommunisti-
schenPartei (KSČ) 1948wurdedieBedeutungderbürgerlichenArmeeangehörigen
verschwiegen,dienochlebendenführendenAufständischenverfolgtunddieRolle
derkommunistischenPartisanInnenauch inAusstellungenüberdenAufstand im
NarrativwieaufvisuellerEbeneüberbetont.DerantifaschistischeAufstandpasste
52 4 DerZweiteWeltkrieg imMuseum
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918