Seite - 57 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
Bild der Seite - 57 -
Text der Seite - 57 -
seits einArbeitslager, aus demmancheHäftlinge nachAblauf ihrer Strafe von
einigenMonatenoder Jahren freigelassenwurden, andererseits einTodeslager,
in demTausendeMenschen unmittelbar nach ihrer Ankunft oder im Zuge von
Liquidierungswellen ermordetwurden. Getötet wurdemit besonders brachialen
MethodenwieSchlägenmitgroßenHämmernaufdenKopf, seltenermitSchuss-
waffen–weshalb Jasenovac imGegensatz zumoftmalsals ‚industriell‘beschrie-
benenMordprozesses in den NS-Vernichtungslagern auch als ‚Manufaktur des
Todes‘bezeichnetwird.ObwohldiePartisanInnenunterdenHäftlingenimLager
gut organisiertwarenundmit derAußenwelt inVerbindung standen, griff Titos
WiderstandsbewegungdasLagerniean,daesaufdrei SeitenvonderSavebzw.
SümpfenumgebenwarunddirektanderstarkbewachtenZugstreckevonZagreb
nachBelgrad lag. Als unter denHäftlingenbekanntwurde, dass das Lager liqui-
diert werden sollte, versuchten am22. April 1945mehrereHundert von ihnen zu
fliehen,dochnureinigeDutzendüberlebtendenAusbruch.ZuKriegsendespreng-
tendieUstašadieGebäudedesHauptlagers.
ImkroatischenFallhattedieUnvereinbarkeitmitdemjugoslawischenNach-
kriegsgründungsmythos der ‚Brüderlichkeit undEinheit‘ zur Folge, dass amOrt
des größten Todeslagers auf demGebiet des „Unabhängigen Staates Kroatien“
(1941–1945) im sozialistischen Jugoslawien über zwanzig Jahre lang keine Ge-
denkstätte existierte. Zur gleichen Zeit wurden überall im Land zahlreiche zum
Teil monumentale Denkmäler für die Opfer des antifaschistischen Kampfes er-
richtet. JasenovacwarvordemZweitenWeltkriegeinserbischesDorf inKroatien
gewesen, dessenBevölkerung imLager vernichtetwurde.Die lokaleKPhatte be-
reitsAnfangder 1950er eine „Initiative für die ErrichtungeinesMahnmals für die
OpferdesFaschismus in Jasenovac“gegründet,dochdieBelgraderFührunghatte
dies abgelehnt. (Karge 2009, 56) Endeder 1950erwurdenÜberlebendenverbände
gegründet,diesichfüreineGedenkstätteaufdembisdahinunmarkiertenGelände
starkmachten.ErstAnfangder1960ergelangeseinerBelgrader„Kampagnefürdie
Jasenovac-Opfer“,demAnliegenmehrÖffentlichkeitzuverschaffen.Während1956
nur 700Menschen der inoffiziellen jährlichen Gedenkveranstaltung beiwohnten,
waren es 1963 bereits 10.000, sodass die Parteiführung in der liberaleren politi-
schenAtmosphärezumHandelngezwungenwar. (Karge2009,57)
1966wurdedanndas berühmte, vonBogdanBogdanović errichteteMahn-
mal inFormeinerBlumefeierlicheingeweiht. (Abb.8)DemArchitektenzufolge
repräsentieren ihreWurzeln dieOpfer, währenddie ins Licht gerichtete Krone
Leben und Freiheit symbolisiere (Bogdanović 1966, 1) und Opfer nicht nach
ihrerethnischenZugehörigkeitklassifiziere.BogdanovićgestalteteauchdieGe-
denklandschaft aufdemGeländedesHauptlagers:MuldenandenOrten frühe-
rerGebäudeundHügeldort,wosichGräberundFolterstättenbefundenhatten.
1968wurdedanndasMuseumeröffnetunddieAusstellungdurchdasMuseum
4.1 Vor1989:DieMuseenindersozialistischenÄra 57
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918