Seite - 67 - in Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen - Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
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als solchebenannt, ebensowie indenstetsnurkurzenPassagenerwähntwurde,
dass ihreLagebeiweitem„amschlechtesten“ (Krylová1972b,15)49war, ihreÜber-
lebenschancen auch imGefängnis, etwa in der „Judenzelle“, (Krylová 1972a, 29)
kaumvorhanden.DieVernichtungslagerwurdenoffen benannt: „Die Judenwur-
denentweder Ferntransporten zugeteilt,meist insGasnachAuschwitz, oder sie
endeten in der Totenkammer.“ (Kulišova 1963, 34f; vgl. auch Krylová 1972a, 4)
Dochwährend das Gestapo-Gefängnis aus der Perspektive der Häftlinge geschil-
dertwurde,dieEmpathieweckt,bliebdiekurzeDarstellungdesGhettosaufnüch-
terneZahlenundFaktenbeschränkt.DieÜberbetonungderpolitischenHäftlinge,
das völlige Verschweigen der Existenz des Internierungslagers für Deutsche
1945–1948 und die Marginalisierung des Ghettos ziehen sich durch fast alle
Publikationen, aber von einemVerschweigender ‚Sonderbehandlung‘ jüdischer
Häftlingekannnichtgesprochenwerden.
DiegroßeAusnahme inBezugaufdenRaum,derdemGhettodarineinge-
räumt wird, stellt erwartbarerweise die Theresienstadt-Publikation aus 1967,
der Hochphase der Liberalisierung, dar. Zwei der drei AutorInnen sind jüdi-
sche Ghetto-Überlebende, Josef Polák und Karel Lagus, die 1964 eineMono-
graphie über das Ghetto Theresienstadt veröffentlichten. (Polák und Lagus
1964)50 Inder 119SeitenumfassendenPublikationsind jeweilsüber40Seiten
der Kleinenwie derGroßenFestung, also demGhetto gewidmet, aber bereits
vor demAbschnitt über das Ghetto kommen in der Einleitung und dem Teil
über die Kleine Festung die Begriffe ‚Juden‘ oder ‚jüdisch‘ über siebzig Mal
vor. (Kulišova, Pólak und Lagus 1967) Das Kapitel über das Ghetto schildert
minutiös alle Schritte vonderDeportationnachTheresienstadtundderAnkunft
dort, über den leidvollen Alltag bis zur Deportation in die Vernichtungslager–
zwarmeistnicht indenWorteneinzelnerHäftlinge,aberdochaus ihrerPerspek-
tive.EinZitatausdemTagebuchdesvierzehnjährigenPeterFischler,der 1944 in
Auschwitz-Birkenauermordetwurde,solldenAlltagausderPerspektivederKin-
derverdeutlichen.(Kulišova,PólakundLagus1967,70)NichtnurNS-TäterInnen,
auch tschechischeGendarmenwerdenerwähnt,wobei zwischendemLeiter des
Wachdienstes,demeifrigenDienerderSSundKollaborateur Janetschekundden
gewöhnlichenGendarmenunterschiedenwird, die denHäftlingenhalfen. (Kuli-
šova,PólakundLagus1967,61)
UnterschiedezwischendenanderensechsPublikationenausTheresienstadt
zwischen 1963und 1988 ergeben sich vor allembei der EinbettungdesOrtes in
49 DankanPetraKaboňováundFlorianRuttner fürdieÜbersetzungenausdentschechischen
Führern.
50 FürdiesenHinweisdanke ichdem/deranonymenGutachterInmeinesBeitragsüber„Tere-
zínundJasenovac–UmkämpfteGedenkstättenvorundnach1989“ (Radonić2021).
4.1 Vor1989:DieMuseenindersozialistischenÄra 67
Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918