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Juden imLager bewaffnet gewesenwärenundandenErmordungen teilgenom-
menhätten. (Tuđman1990,318)
In den tschechoslowakischenMuseen findet sichhingegenkeine derartige
nationalistischeMobilisierung,wieauchdieTrennungderbeidenStaatenbald
darauf friedlichvonstattengeht. InTerezín setzen 1988die systematische Indi-
vidualisierung der Opfer und der Fokus auf das künstlerische Schaffen ‚ganz
normaler‘Häftlingevor ihrerErmordung inVernichtungslagernein.Derdämo-
nisierende Jasenovac-Bildbandaus 1986unddieAusstellungaus 1988nehmen
hingegendenserbischenaggressivenNationalismusvorweg.Diewillkürlich Ja-
senovac zugeschriebenenBilderundVideoaufnahmendesGrauens lassen sich
–geradedankdesVergleichsmitTheresienstadt–alsÜberwältigungs-undMo-
bilisierungsstrategie imSinnedes „KriegesumdieErinnerung“ (Radonić 2010)
charakterisieren. Die friedliche Transformation im tschechoslowakischen und
diekriegerischeTrennung im jugoslawischenFall scheinen indenEntwicklun-
gen der späten 1980er bereits angelegt. Selbstredend ist der unterschiedliche
Charakter der beiden Gedenkstätten hierbei relativierend zu berücksichtigen,
da Jasenovac vomkroatischen Staat, Theresienstadt hingegen vomNS-Regime
mitTschechenalsWachenbetriebenwurde.
4.2 1990–1999:DieWendeunddieMuseen
Der SozialwissenschaftlerinGłowacka-Grajper folgendwurde in der Einleitung
der Begriff ,postsozialistisch‘ als ein Terminus bestimmt, der nicht nur auf die
Aufarbeitung der sozialistischenÄra zielt, sondern auch auf die Transforma-
tion von Erinnerungskultur und Geschichtspolitik in Bezug auf zuvormargi-
nalisierteund tabuisierteEreignissewährenddesZweitenWeltkriegsoderdie
Kriegsend-undNachkriegsverbrechen.Bevorwir zudenneuenAusstellungen
über sowjetische Verbrechen kommen, wird hier zunächst die postsozialisti-
scheTransformationderdreibisherbesprochenenMuseenumrissen.
4.2.1 Theresienstadt,MuseumdesSlowakischenNationalaufstands
undJasenovacnachderWende
InTheresienstadt,demMuseumdesSlowakischenNationalaufstandsundinJa-
senovackamesnachderWendezugravierendenVeränderungen–wennauch
in völlig unterschiedliche Richtungen –, bevor noch irgendeines der anderen
siebenuntersuchtenMuseen eröffnetwurde. In Terezínwurde 1990 JanMunk,
Präsidentder jüdischenGemeindeTschechiens,dessenEltern 1941nachThere-
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Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Titel
- Der Zweite Weltkrieg in postsozialistischen Gedenkmuseen
- Untertitel
- Geschichtspolitik zwischen der ‚Anrufung Europas‘ und dem Fokus auf ‚unser‘ Leid
- Autor
- Ljiljana Radonić
- Verlag
- DE GRUYTER
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-11-072205-5
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 338
- Schlagwörter
- Gedenkmuseen, postsozialistische Transformationsprozesse, Zweiter Weltkrieg, Europäisierung der Erinnerung, Universalisierung des Holocaust, Geschichtspolitik
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
- Geschichte Nach 1918